Fix und forty: Roman (German Edition)
Mennoniten zum Thema Homosexualität (»Hasse die Sünde, liebe die Sünder!«) oder Abtreibung (»Richte die Mutter, liebe das Baby!«) nicht ertragen.
Der dritte Pferdefuß, als ob ich überhaupt noch einen brauchte, war die im Christentum traditionell eng gefasste Definition der Erlösung. Gestützt von einer schwarz-weißen Vision von Himmel und Hölle als konkrete Orte, war Erlösung ein Ticket, das nur unter bestimmten Bedingungen galt. Man wurde nur dann erlöst, wenn man Jesus in sein Herz ließ, am besten unter Tränen und in Kombination mit Glaubensbekundungen, zwei Wochen im christlichen Sommerlager und einer cordgebundenen Bibel, die man selbst bestickt hatte, mit Gänseblümchen zum Beispiel. Und damit waren alle praktizierenden Gläubigen konkurrierender Weltreligionen mit einem Rundumschlag verloren. Sie irrten auf der trockenen Hochebene der Verdammnis umher. (Daher auch das kollektive Interesse der Mennoniten am Chaco.)
Meine Eltern hatten stets Treue praktiziert – zueinander, zum Wort Gottes, zur Kirche, selbst zu der Schlange an der Supermarktkasse, in der sie standen. Wenn sich schlechte Zeiten ankündigten, zogen die Anhänger Christi dann die Reißleine und seilten sich ab? Keineswegs! Standen sie von ihren Bänken auf und verließen den Saal, wenn es Meinungsverschiedenheiten in der Gemeinde gab? Nicht im Traum! Trotz meiner Kritik hätte ich natürlich auch meine Kirchenmitgliedschaft wie meine fünfzehnjährige Ehe behandeln können, indem ich Probleme lieber nicht ansprach. Ich hätte ausharren, ausharren, ausharren können. Ich hätte die Augen vor all dem verschließen können, was nicht stimmte. Doch es passierte etwas, das mich das Weite suchen ließ.
Ich bewarb mich am Priesterseminar.
Wahrscheinlich denken Sie jetzt: Sind Sie völlig bescheuert? Oder taktvoller: Sind Sie partiell bescheuert? Aber hey, ich war damals Mitte zwanzig und hatte gerade meinen ersten Magister gemacht. Auch wenn das Priesterseminar auf den ersten Blick eine merkwürdige Wahl für jemanden zu sein scheint, der später anhaltende Freude daran findet, sich mit einem fluchenden Atheisten zu verbünden, übte es zum damaligen Zeitpunkt eine tiefe Anziehungskraft auf mich aus. Oh, ich hatte nie vor, Pastorin oder Theologin zu werden und in die Fußstapfen meines Vaters zu treten. Für mich war ein weiterer Magister in Theologie eine Art Luxus, vergleichbar mit dem eines Creative-Writing-Studiengangs für Schriftsteller: zwei herrliche Jahre des Lesens und Kritzelns ohne Zukunftsaussichten, und alles zum Schnäppchenpreis von vierzigtausend Dollar! Ich hielt die Existenz Gottes nicht für ausgeschlossen. Das tue ich bis heute nicht. Ich will es sogar frei heraus sagen und zugeben: Ich glaube an Gott. Ich war immer beeindruckt von der poetischen, geheimnisvollen Kraft der Bibel, ihrer tödlichen Geschichten, ihrem giftigen Charme. Ich hatte Lust, Hebräisch und Griechisch zu lernen. Ich sehnte mich nach einem gründlichen Bibelstudium mit anderen Studenten, die ebenfalls Respekt vor der Kraft der Schöpfung hatten, ich strebte nach der unausweichlichen Suche nach Bedeutung in einer gebrochenen Welt.
Wie dem auch sei. Ich erkundigte mich nach den verschiedenen protestantischen Konfessionsgemeinschaften, fand heraus, welche Position jede davon bei den hermeneutischen Fragen vertrat, die mich am meisten interessierten, und beschloss am Ende, mich an einem Mennoniten-Seminar zu bewerben. Schau einer an: Die Friedenspolitik der Mennoniten hatte es mir wirklich angetan, auch wenn ich immer noch gemischte Gefühle bezüglich ihrer unausgesprochenen Absicht hatte, den Chaco zu evangelisieren. Robert Frost hätte mich toll gefunden. Da stand ich nun an der berühmten Weggabelung. Nahm ich den einen Weg, würde ich eine hundertprozentig überzeugte Mennonitin werden. In meiner Zukunft würden mich Gebetsketten, Rüschenröcke, eine Dauerwelle, Cordbibeln und Kinder erwarten, die ich »ihrem Weg gemäß« erziehen müsste, wie es in der Bibel heißt. Ich würde einen Mann mit einer schrecklichen Frisur heiraten und wir würden vor den Mahlzeiten beten und zusammen für die »liturgische Bewegung« im Gottesdienst eintreten. Nahm ich den anderen Weg, würde ich nie zurückblicken dürfen. Zaudernd würde ich dastehen wie Lots Frau, die sich gemäß der biblischen Erzählung während der Flucht aus Sodom umdrehte und zur Salzsäule erstarrte. Traurigerweise hatte sie nie die Chance, sich mit dem Auswendiglernen von Robert
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