Fix und forty: Roman (German Edition)

mehr. Manche Dinge sind besser als Vernunft. Manche Dinge widersetzen sich der Vernunft. Dinge wie Zuversicht.
    Und wissen Sie was? Das ist gut so.

ZWÖLF
    Die Rosinenbombe
    Ich war gerade beim Nähen, als Mom hereinkam und fragte, ob ich Musik hören wollte. Wenn sie sich nicht gerade auf einer längeren Autofahrt befand, war sie selten in der Stimmung für Musik – ihren eigenen Gesang ausgenommen –, und daher antwortete ich »Gerne«.
    »Wie wäre es mit Panflöte?«
    Ich lehnte höflich ab.
    »Oder mit einer schönen Klassik-CD?«
    Ich nickte mit Stecknadeln im Mund.
    Kurze Zeit später hörte ich die Eröffnungsklänge des Finales von Tschaikowskys Capriccio Italien. Nicht meine erste Wahl, aber okay. Doch plötzlich zuckte ich zusammen.
    War das … der ferne Schrei eines Seetauchers? Der im Hintergrund über die Akkorde klomm, als wollte er Tschaikowskys Capriccio irgendeine wesentliche Relevanz verleihen?
    Nun, ich sollte noch mehr von dem freundlichen Seetaucher hören, in leisen und lauten, ruhigen und stürmischen Liedern. Mein Herz zog sich zusammen aus lauter Mitgefühl für den armen kurzsichtigen Strauß, für Mozart, Wagner und Grieg, die es kollektiv versäumt hatten vorherzusehen, was zukünftige Jahrhunderte aus ihrer Easy-Listening-Musik machen würden. Wer hätte gedacht, dass das Publikum zweihundert Jahre später nach dem ehrwürdigen Quaken des Seetauchers verlangte? Besser als der Text auf der CD-Hülle, nach der ich hastig griff, hätte ich es nicht ausdrücken können: » Seetaucher Klassik II präsentiert eine Rückkehr in das wilde Reich des Seetauchers auf die klassische Art. Sie hören die Rufe, Tremolos, Jodler und Gesänge des Seetauchers in der folgenden Auswahl …«
    Mir wurde klar, dass die Produktion von Seetaucher Klassik II einen eindrucksvollen Vorgänger, beispielsweise Seetaucher Klassik  I : Der frühe Vogel , gehabt haben musste. Vielleicht gab es sogar eine ganze Familie klassischer Seetaucher, ganz abgesehen von R & B-Seetaucher, Reggae-Seetaucher, Hip-Hop-Seetaucher und dem herzerweichenden Country-Seetaucher. Und im Zuge dessen – ich hoffe, Sie folgen mir noch – können wir uns nicht auch den Buschhäher-Blues vorstellen, die Pfauen-Meditation und den Weißkopfseeadler-Techno? Und warum hier aufhören? Warum keine Seetaucher-Hörbücher? Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fände es schön, die Worte unseres Herrn und Erlösers durch ein paar Seetaucher-Tremolos belebt zu hören. Die langen Kapitel des Levitikus verlangen geradezu nach ein paar Seetaucher-Jodlern.
    Doch ich schloss Frieden mit dem Seetaucher. Ich gehöre zu den Menschen, die unweigerlich ein Buch zu Ende lesen, ganz gleich wie schrecklich sie es finden, und die selbst beim schlimmsten Kinofilm aller Zeiten in ihrem Sessel sitzen bleiben. Ich denke immer: So schlimm ist es auch wieder nicht. Ich kann es ertragen! Und als ich dort im Nähzimmer saß und Seetaucher Klassik II hörte, die meine Mutter fürsorglich auf Wiederholen eingestellt hatte, erreichte ich sogar den Punkt, an dem ich hier und da meine eigenen Tremolos versuchte. Eine begnadete Seetaucher-Imitatorin bin ich nicht. Aber ich habe sicher einen Fleißpunkt dafür verdient, dass ich es wenigstens versucht habe.
    Während ich an der Nähmaschine damit experimentierte, wie ich Hosentaschen am schmeichelhaftesten auf meinem flachen Hintern positionieren konnte, rief die alte Mrs. Cornelius Friesen an.
    »Mary?«, fragte sie, als ich den Hörer abnahm.
    Ich erkannte ihre Stimme. »Nein, Mrs. Friesen, hier ist Marys Tochter Rhoda.« Ich erinnerte mich, dass Mrs. Cornelius Friesen schwerhörig war, und sprach etwas lauter. »Mary ist in der Bibelstunde. Kann ich ihr etwas ausrichten?«
    »In der Bibelstunde? Gott segne sie«, sagte Mrs. Friesen. »Könntest du ihr etwas ausrichten? Sag ihr bitte, dass ich mich freuen würde, wenn sie Die Katze, die eine Bombe abwarf fertig gelesen hätte. Ich würde es gern Cici geben.«
    Nur aus Respekt vor Mrs. Friesens fortgeschrittenem Alter hatte meine Mutter eingewilligt, dieses Buch zu lesen. Die Hauptfigur war eine Katze, ein Gestiefelter-Kater-Detektiv, der lauter Unsinn machte, während er Verbrechen löste. Meine Mutter war alles andere als ein Bücher-Snob, aber selbst sie hatte ihre Grenzen. Gerichtsthriller, okay. Krimis, vielleicht. Doch eine Katze, die Bomben fallen ließ, das ging zu weit. Daher hatte meine Mutter mir gegenüber die Sorge geäußert, wie sie sich in