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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
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Zähne. Er fand es eine schändliche Antwort auf seine freundliche Annäherung; und als Flachskopf weiterbrummte, fing Fox drohend an zu bellen, sprang vor dem Kellerfenster hin und her, streckte die Pfote vor, aber nicht zu nah, um mögliche Überraschungen zu vermeiden. Als er sich schließlich keinen Rat mehr wußte, setzte er sich mit dem Rücken nach dem Kellerfenster und blickte gleichgültig in die entgegengesetzte Richtung. Er konnte seine Verachtung nicht deutlicher zum Ausdruck bringen. Sein Schwanz lag vor dem Gitter, und schnell wie der Blitz ergriff Flachskopf diesen Schwanz und hielt ihn in der Hand fest. Fox jammerte erbärmlich und wühlte mit den Vorderpfoten die weiche Gartenerde auf. Als sein Schwanz frei wurde, schoß er wie ein Pfeil aus dem Bogen davon, setzte sich auf die andere Seite des Gartens, betrachtete mit ängstlichen Blicken das verräterische Kellerfenster und sann über die sonderbaren Dinge nach, die ihm begegnet waren.
    Da hörte Flachskopf ein dumpfes Gepolter und Rumoren von der Seite der Schule her, und dann ein Klappern von Holzschuhen auf den Pflastersteinen. Es war zwölf Uhr.
    Wenn der Lehrer nur nicht vergaß, ihn zu erlösen! Das war schon öfters vorgekommen. Und heute war Donnerstag! Und wenn er nur nicht in der Schule bleiben mußte! ...
    Nein... er hörte Schritte, der Riegel wurde weggeschoben, und im hellen Tageslicht sah er die Beine und den Leib des Lehrers, nicht den Kopf.
    »Heraus, Bengel, und mach, daß du nach Hause kommst !«
    Er schoß unter dem Arm des Lehrers hindurch, holte noch schnell seine Mütze in der Schule, sah Dabbe, der auf dem Spielplatz an einem Baum stand und überlegte, was nun eigentlich mit Pipin dem Kleinen los war, sah Tjeef, der in einer Ecke darüber grübelte, ob der Kuckucksberg Feuer spie oder nicht — und Flachskopf lief die Straße hinauf in die freie, frohe Welt.

Flachskopf und die Strenge seines Vaters

    A ls Flachskopf durch die offene Tür des Spielplatzes auf die Straße hinausstürmte, war in der ganzen Umgebung kein einziger Schulknabe mehr zu sehen. Donnerstag mittags begaben sie sich gewöhnlich gleich nach Hause, um sofort essen und den freien Nachmittag um so länger genießen zu können. Hie und da ging noch ein Dorfbewohner, barfuß, die Jacke lose über die Schulter gehängt und den breiten Strohhut auf dem Kopf, mit langsam-schwerem Schritt heimwärts zum Mittagessen. Aber für diese Leute hatte Flachskopf nur wenig Interesse; sie erinnerten ihn zu sehr an seinen Vater und an »arbeiten, wenn man aus der Schule kommt«.
    Es war volle Mittagsglut. Die gewaltige Sommersonne thronte hoch oben am blauen Himmel; die Hitze lag schwer in der breiten Dorfstraße, prallte auf die grauen Pflastersteine und an die heißen Wände der Häuser und drückte so beengend auf den Körper, daß Flachskopf einen Augenblick schwindlig wurde. Das grelle Licht ließ ihn vor Schmerz mit den Augen zwinkern und die Stirne in Falten ziehen.
    Aber eine mühsam bezwungene Freude erfüllte ihn ganz, so daß er den funkelnden Sonnenbrand herrlich fand, weil dieser Vormittag nun auch wieder überstanden war und er bereits eine Vorahnung hatte von allen Genüssen, die der lange Nachmittag versprach. Sein Mißgeschick in der Schule hatte er schon ganz vergessen. Es war ihm jedesmal etwas peinlich, wenn er allein nach Hause gehen mußte, weil alle Leute dann deutlich sehen konnten, daß er nicht mit den andern die Schule hatte verlassen dürfen. Manchmal stieg noch ein Verlangen in ihm auf, sich an Dries vom Weidenhof oder an dem Lehrer zu rächen, aber es wurde allmählich von dem stärkeren Gefühl verdrängt, daß heute nachmittag keine Schule war.
    Er lehnte sich mit dem Rücken an eine Mauer, zog seine Strümpfe aus, steckte sie in die Holzschuhe und schritt dann barfuß durch den schmalen Schattenstreifen, der sich auf der linken Seite der Straße an den Häusern hinzog. Alle Türen standen offen, und der weichliche Dunst von Mittagessen schlug ihm ins Gesicht. Überall warf Flachskopf einen flüchtigen Blick hinein; er sah die Leute mit offenen Kleidern und bloßen Füßen am Tische sitzen, schweigsam und pustend vor Hitze. Das alles machte ihm wenig Spaß, ausgenommen ein Kind, das mit seiner Milchflasche hinter dem Türpfosten saß und bei Flachskopfs plötzlichem Erscheinen vor der Türöffnung derart erschrak, daß es die Flasche in Scherben fallen ließ und fürchterlich zu heulen anfing. Er hörte wie eine bissig-böse Weiberstimme

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