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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
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denn er brüllte aus vollem Halse, daß er ganz verbrannt sei. Schlüpfrige Nudeln und ausgekochtes Sellerie- und Porreegemüse hingen ihm über die Ohren und in den zusammengeklebten Haaren und gaben ihm das Aussehen eines Hundes, der aus einem schmutzigen Graben hervorkriecht. Er zog ein gottsjämmerliches, verheultes Gesicht, und darüber mußten Heini und Nis beide plötzlich so lachen, daß sie eine ganze Weile nicht weiteressen konnten. Sein Vater schüttelte ihn noch einmal tüchtig, wobei ihm die Nudeln von den Ohren fielen, und seine Mutter hob die Schüssel auf und klagte mit wütendem Gesicht: »Ein ganzes Stück Lack abgesprungen — und da liegt meine schöne Suppe nun, — der garstige Wuschelkopf !«
    »Wring sein Hemd aus, dann langt es noch für morgen mittag«, riet Heini.
    An die Mißhandlung, die Flachskopf zuteil geworden war, dachten sie nicht, aber an das Stück Lack und ob es morgen noch solche Suppe geben würde.
    »Hier ,« sagte seine Mutter, indem sie ihm eine schmutzige, blaue Schürze ins Gesicht schob, »reibe dir deinen Kopf ab und mach, daß du deine Kartoffeln ißt!« Während Flachskopf schluchzend sein Gesicht abtrocknete, nahm sie einen andern Teller, füllte ihn mit dampfenden Kartoffeln und legte ein braungebackenes Stück Speck darauf. Und immer wieder schimpfte sie über ihn wegen der verschütteten Suppe, als hätte er sie sich selber über den Kopf gegossen.
    »Und wenn du das nun auch nicht magst, dann brauchst du es nur zu sagen, dann wirst du mal sehen, was es da gibt«, drohte der Vater. »Man könnte ja sonst was anstellen mit einem solchen Taugenichts«, fügte er weise hinzu.
    Flachskopf dachte, daß man schon nicht viel Schlimmeres anstellen könnte, als jemand eine Schüssel Suppe über den Kopf zu schütten, aber er fand es ratsam, sich nun still zu verhalten, denn sein Vater wäre imstande gewesen, ihm auch noch die Pfanne mit geschmolzenem Speckfett, die mitten auf dem Tisch stand, in den Hals zu gießen. Und er unterdrückte einen aufwallenden Schluchzer, indem er drei Kartoffeln auf einmal in den Mund stopfte.
    Flachskopf verwünschte in diesem Augenblick die ganze Familie und hätte sie alle mit ruhigem Gewissen zum Mond fliegen sehen. Sie konnten allesamt zum Teufel gehen! ... Er wünschte, daß das Haus in Flammen stünde... oder vielmehr, daß er, Flachskopf, morgen früh tot in seinem Bett läge und ihnen noch sagen könnte: »Das kommt davon, weil ihr mich so gepiesackt habt, ihr Lumpen !« Dann würde es nicht mehr heißen: »Schade um die schöne Suppe !«
    »Mach nicht solche Fratzen !« schnauzte ihn sein Vater wieder an und hielt ihm die Gabel unter die Nase, um ihm zu verstehen zu geben, daß sonst noch schlimmere Dinge geschehen würden. Flachskopf schwieg, weil er deutlich fühlte, daß er ihnen jetzt doch nichts recht machen konnte, und weil er heimlich fürchtete, daß ihm auch noch die Pfanne mit Fett über den Kopf gegossen werden könnte. Aber da er nun hörte, daß ihnen sein Gesicht nicht gefiel, fing er an, als wäre das bei ihm ganz natürlich und als wäre er sich dessen nicht bewußt, allerlei schiefe und verdrehte Gesichter zu schneiden, als hätte er heftige Schmerzen am Mund und als müßte er versuchen, die Kartoffeln ganz hinunterzuschlucken. Er hielt die Augen immer niedergeschlagen, als merke er nicht, daß alle ihn beobachteten. Die andern konnten auch nicht mehr ernst bleiben, als sie seine struppigen, weißen Haare betrachteten, die in kleinen spitzen Hörnern zusammengeklebt waren. Sie fingen an zu kichern und schüttelten sich vor Vergnügen; sogar der Vater verzog sein grimmiges Gesicht zu einem Lächeln und munkelte ruhiger: »Ich glaube, daß der Racker noch ganz und gar überschnappen wird .«
    Flachskopf betrachtete sie einen Augenblick mit giftigen Blicken, denn er hatte gehofft, sie mit seinen Fratzen zu ärgern und nicht sie zum Lachen zu bringen. »Das holt er alles aus seinen Schweineborsten«, sagte Nis.
    »Unser Flachskopf hat schöne Haare, wenn sie mit Pomade eingeschmiert sind«, meinte Heini.
    »Guck du deine Augen an ,« schnauzte Flachskopf Nis an, »die würden viel besser zu einem Schwein passen als in deinen Pferdekopf.«
    Die Anspielung auf seine kleinen grauen Augen schien Nis nicht besonders zu gefallen, und Flachskopf hätte bestimmt eine unzweideutige Ohrfeige bekommen, wenn sein Vater nicht dabeigewesen wäre. Jetzt unterdrückte Nis seinen Zorn, doch rächte er sich kurz darauf, indem er zum Vater

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