Flachskopf
hinter ihm her rief, daß er gleich eine Tracht Prügel bekommen würde; aber Flachskopf tat, als höre er nichts. Mütter und Kinder waren ihm ziemlich gleichgültig.
An Rosa Baumanns Garten warf er mit dem Holzschuh nach einem schwerbeladenen Kirschenzweig, der über die Gartenmauer hinausragte, ohne zu treffen. Beim Straßenwärter ließ er ein paar Steine durch das offenstehende Kellerfenster purzeln. An der Demerbrücke fragte er die dicke Trine, die Obsthändlerin, ob sie nicht ein paar faule Kirschen hätte, die sie doch nicht mehr verkaufen könnte, worauf Trine ihn anschnauzte, daß sie, verdammt! nie eine faule Kirsche verkaufte, aber ihm doch mit ihrer dreckigen, schwarzen Klaue ein paar überreife Kirschen in die Hand drückte. Flachskopf betrachtete sie angewidert eine kurze Weile und warf sie dann mit aller Gewalt Trine an den Kopf und ins Haus hinein, wo sie klatschend an der Wand auseinander platzten. Weglaufend rief er: »Sie riechen zu sehr nach deinem Schnapsatem !« — Nun hielt er sich nirgends mehr auf, da es sonst zu spät geworden wäre.
Zu Hause angelangt, roch er schon, bevor er die Tür aufmachte, daß es Zwiebelsoße mit Speck gab. Er trat ein, ohne guten Tag zu sagen, und die anderen schwatzten und aßen weiter, als ob sie Flachskopf nicht bemerkten. Sie hatten ihre Suppe schon gegessen und verzehrten nun ihre Kartoffeln mit Zwiebelsoße und Speck, und die Suppenschüssel stand neben dem Tisch auf dem Fußboden. Sie hatten nicht die Gewohnheit, mit dem Essen auf Flachskopf zu warten, da er noch viel zu jung dazu war, und dann auch, weil er sehr unregelmäßig nach Hause kam. Sein Vater hatte sogar eines Abends, als Flachskopf um acht noch nicht da war, mit der Faust auf den Tisch geschlagen und behauptet, daß der Bengel es fertig bringen würde, eine ganze Woche auszubleiben, was Heini bestritt, weil Flachskopf immer einen so großen Hunger hätte. Flachskopf verlangte natürlich auch nicht, daß man auf ihn wartete; aber da er nun ausnahmsweise einmal beinahe zur rechten Zeit zu Hause war und der Vormittag ihn nicht gerade in angenehme Stimmung gebracht hatte, setzte er sich mit mürrischem, bockigem Gesicht an den Tisch.
»Warum kommst du nicht etwas früher nach Hause, jetzt ist die Suppe fast kalt«, sagte die Mutter und schöpfte seinen Teller voll.
»Für mich ist alles immer gut genug«, knurrte Flachskopf, ohne aufzublicken.
»Schweig, Bengel !« mischte sich der Vater nun ein, während er eine große Kartoffel in den Mund schob, »bleibe das nächste Mal nicht mehr so lange unterwegs hängen, dann kannst du mit uns anfangen.«
»Ich bin nirgends hängen geblieben, und ihr hättet die Suppe doch ebensogut auf dem Ofen stehen lassen können...«
»Himmelherrgott, wenn du nicht still bist, schmeiß ich dich zur Tür naus !« — Sein Vater konnte sich bei jeder Kleinigkeit aufregen und duldete keine Widerrede.
»Und wenn du die Suppe so nicht magst, dann läßt du sie stehen !«
Flachskopf hatte keine Lust, sie stehen zu lassen, wohl aber, den Ellenbogen auf den Tisch gestützt, mit seinem Löffel in der Suppe herumzurühren und die langen Fadennudeln herauszufischen, um sie dann wieder hineinglitschen zu lassen. Und er blickte dabei so starr und mit mürrisch verzogenem Gesicht in seinen Teller, als überlegte er, ob er essen sollte oder nicht.
»Bete !« sagte sein Vater kurz, und der Klang seiner Stimme ließ deutlich erkennen, was er damit meinte. Flachskopf ließ den Löffel achtlos auf den Tellerrand fallen, machte lässig ein schiefes Kreuzzeichen, schob seine beiden halbwegs gefalteten Hände unters Kinn und starrte mit vorgeschobenen steifen Lippen eine Weile über den Tisch hin, machte wieder ein Kreuzzeichen, und das Spiel mit dem Löffel fing von neuem an. »Verdammt noch mal !« — und pardauz! sein Vater ergriff ihn über den Tisch weg am Arm und kippte, ohne daß Flachskopf Zeit fand, auszuweichen, ihm die ganze Suppenschüssel über den Kopf und ließ sie hängen .—
»Jetzt wirst du sie wohl mögen !« fügte er wütend hinzu.
Flachskopf gab einen mörderischen Schrei von sich, der unter der Schüssel eigentümlich hohl klang, hob die unerwünschte Kopfbedeckung hoch und ließ sie zu Boden fallen. Die Suppe überströmte seine Haare, sein Gesicht, seine Ohren, seinen Hals und den ganzen Kerl. Einen Augenblick lang lag ein fettig glänzender Schweinsknochen auf seinem Kopf und fiel dann herunter. Die Suppe konnte doch noch nicht so kalt gewesen sein,
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