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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
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großen, staunenden Augen nach den unmanierlichen Fratzen und dem breiten Munde Flachskopfs, zeigte dann ein kurzes, freundliches Lächeln, schob das Däumchen in den Mund und schlief wieder ein.
    Flachskopf rauchte ein paar Züge aus Heinis Pfeife, die auf der Fensterbank liegengeblieben war, aber es biß ihm zu sehr auf der Zunge. Dann setzte er sich draußen auf die Türschwelle und sang alle Lieder, die er in der Schule und auf der Straße gelernt hatte.
    »He! Flachskopf!«
    Gust und Tist vom Wagenbauer standen auf der Straße, gerade vor dem Haus. Es waren zwei stramme, drollige Bengel, barfuß und barhaupt, die nur ab und zu mal in die Schule gingen und wie die Vögel im Freien lebten. »Kommt mal her !« rief Flachskopf. »Wo wollt ihr hin ?«
    »Nirgends... nur so!« Sie kamen heran und setzten sich vor Flachskopf auf die Erde.
    »Wo wart ihr denn ?«
    »Nirgends... Unser Gust bekommt eine Harmonika«, sagte Tist, voll von der großen Neuigkeit.
    Gust warf einen stolzen Blick auf Flachskopf, was er wohl dazu sagen würde, und dieser war einen Augenblick verblüfft über die Ungeheuerlichkeit eines so prachtvollen Dinges, wie es eine Harmonika darstellt. »Von wem bekommt er die ?« fragte er neugierig.
    »Vom Pfarrer, sagt unser Vater, das erste Mal, wenn er ohne schmutzige Nase zum Religionsunterricht kommt .«
    Gust blickte nun gar nicht mehr stolz drein, sondern versetzte seinem Bruder einen tüchtigen Fußtritt, so daß er hinflog. Tist kümmerte sich nicht groß darum, er blieb liegen, wo er lag, und starrte gleichgültig in die Luft.
    »Ich kenne die Noten schon«, sagte Gust zu Flachskopf. »Kannst du auf der Trompete deines Vaters blasen ?« fragte Flachskopf, der vor dem Wagenbauer großen Respekt hatte, weil dieser als der beste Trompetensolist der Kapelle von Oxlaar bekannt war.
    »Die Tonleiter kenne ich schon ,« sagte Gust, »und unser Tist kann sogar beinahe einen Marsch blasen.«
    »Einen französischen Marsch«, fügte Tist hinzu. Flachskopf fand, daß diese beiden Bengel vom Sandberg ihm weit voraus waren. Sie schwänzten fast täglich die Schule, und doch wußten sie eine ganze Menge mehr als er von dem, was die Großen wissen.
    »Was gibst du für diesen Soldatenknopf ?« fragte Tist plötzlich, und er holte aus seiner Hosentasche einen glänzenden Soldatenknopf hervor.
    Flachskopf betrachtete dieses Kleinod mit begierigen Augen.
    »Der stammt von einem Offizier«, sagte Tist, um das Angebot noch verlockender zu machen. Flachskopf warf einen Blick in die Wohnung hinter sich. Da lag nichts zum Tauschen. Er suchte in seinen Taschen, sein Messer... einen Kreisel... Spielkarten... Nein, das alles brauchte er selbst höchst notwendig.
    »Du darfst mir zehn Hiebe dafür geben !«
    »Dafür gebe ich ihn nicht her«, sagte Tist.
    »Zwanzig!«
    »Auch nicht.«
    »Wollen wir uns drum schlagen ?«
    »Nein, mein Lieber — damit ich wohl meinen Knopf loswerde und noch Prügel dazu bekomme?« Und aus Furcht, daß Flachskopf zu sehr auf diesem Tauschmittel bestehen könnte, trat Tist drei Schritte zurück.
    »Sag, willst du das Mützchen dafür haben ?« und Flachskopf zeigte, zwar etwas verlegen, das Kindermützchen, das er in der Truhe entdeckt hatte.
    Tist betrachtete abwechselnd das Mützchen und Flachskopf mit fragendem Blick. Er sah nicht gleich ein, was er damit anfangen sollte; aber als Flachskopf es ihm auf seinen rothaarigen Kopf gesetzt hatte und Gust vor Lachen fast platzte, gab er, ohne zu zögern, den Knopf her.
    Drinnen fing Ännchen plötzlich wieder an zu schreien. »Wem gehört das Kind, Flachskopf ?«
    »Nandus Weef — der hilft uns beim Heuen im Bruch .«
    »Weißt du, was du machen mußt, wenn es schreit ?«
    »Wiegen?«
    »Nein, an deinen Fingern saugen lassen, dann denkt es, daß es ein Nutsch ist«, sagte Gust.
    »Als ich klein war, steckte mir mein Vater, wenn ich schrie, seine Pfeife in den Mund ,« erzählte Tist, »und da war ich gleich still.«
    Flachskopf fand dieses Mittel so eigenartig, daß er sich sofort erhob, Heinis Pfeife vom Fensterbrett holte und mit Gust und Tist an Ännchens Wiege trat. Aber gerade, als er den gewagten Versuch machen und den Pfeifenstiel in Ännchens schreienden Mund stecken wollte, kam seine Mutter herein. Im Nu hatte sie gesehen, was die Bengel vorhatten, und ihre Hand klatschte allen dreien so blitzschnell um die Ohren, daß sie nicht die Zeit hatten, »Au !« zu rufen. Gust und Tist nahmen die Beine unter den Arm, aber Flachskopf blieb

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