Flachskopf
unter ihren mütterlichen Händen, und obwohl er schrie, daß es Tist gewesen sei und nur zum Spaß, bekam er eine Tracht Prügel, die bestimmt kein Spaß war.
»Ich gehe ins Wasser!« rief Flachskopf, brüllend, daß das ganze Haus dröhnte; »mehr Schläge als Essen bekomme ich hier... und wenn Tist dann noch dran schuld ist!« und er sprang ebenfalls auf die Straße hinaus, nochmals versichernd, daß er sich das Leben nehmen würde.
Flachskopf lief schreiend hinter Gust und Tist her, die keine Lust zu haben schienen, auf seine Gesellschaft zu warten, und sich schon wieder über die Harmonika und den französischen Marsch unterhielten. Er ging durch die Wiesen zum Mühlberg, wo er sich zwischen den jungen Tannen in den Sand legte. Daß er ins Wasser gehen wollte, war nicht so ernst gemeint — er hatte ihnen zu Hause nur einen Schrecken einjagen wollen. Sie behandelten ihn noch schlechter als einen Hund, fand Flachskopf, in ganz Sichem gab es keinen einzigen Jungen, der so viel Prügel bekäme wie er, und dabei war er »das jüngste Kind des Hauses«.
Flachskopf lag auf dem Mühlberg faul im Sande und guckte in die Luft, bis es allmählich Abend wurde. Die Sonne stand schon hinter dem Testelberg, und über dem Bruch, und im Kranichreich stieg die Dämmerung. Weißer Nebel trieb in langen, flockigen Strähnen über Bäche und Gräben, und die Heuhaufen ragten darüber hinaus wie dicke, runde Kahlköpfe.
Er kehrte langsam nach Hause zurück. Die Vordertür war geschlossen, und er warf einen flüchtigen Blick unter den Fenstervorhang hindurch, ob er es wagen könnte, hineinzugehen. Die Lampe stand auf dem Küchenschrank, und seine Mutter stellte gerade die Teller fürs Abendessen auf den Tisch. Der Kessel mit den Kartoffeln stand dampfend auf dem Fußboden, und sein Vater rauchte ruhig am Herd eine Pfeife und starrte in die Flammen. Flachskopf schlich leise durch die Hintertür hinein, setzte sich auf die andere Seite des Herdes, starrte ebenfalls ins Feuer und warf ab und zu einen scheuen Blick auf Mutters Gesicht. Aber sie war viel zu beschäftigt und zu froh, daß das Heu trocken eingebracht war, um an Ännchen und Flachskopf zu denken. Nach dem Essen gingen Nis und Heini auf den Anger, wo sie in Gesellschaft von einigen Burschen aus der Nachbarschaft ihre Pfeife rauchten. Der Vater unterhielt sich noch eine Weile mit der Mutter über die Arbeit, die morgen gemacht werden sollte, und ging dann schlafen. Flachskopf wollte auch noch schnell hinausflitzen, aber die Mutter rief ihn zurück.
»Ich habe gestern ein neues Hemd mitgebracht ,« sagte sie, »zieh es mal an, damit ich sehe, ob es paßt!«
»Jetzt gleich? ... Wenn Nis hereinkommt...«
»Ach Unsinn... das, was du jetzt anhast, ist viel zu kaputt... sonst kann mans überhaupt nicht mehr flicken .« Und Flachskopf, der nicht allzusehr aufzumucken wagte, xim keine Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit wachzurufen, legte sein Zeug ab und zog das neue blaugestreifte Hemd an. Die Mutter betrachtete es von hinten und von vorn.
»An den Ärmeln und Schultern gehts, aber hinten ist es ein wenig zu kurz ,« sagte sie, mehr zu sich selbst als zu Flachskopf, »zieh es nur aus, ich werde gleich einen Streifen drannähen.«
Flachskopf zog das Hemd aus, und seine Mutter nähte ein Stück daran, das dem Stoff einigermaßen ähnlich sah. Aber als Flachskopf es nachher wieder anzog, reichte der hintere Hemdzipfel beinahe bis zur Erde.
»Ich will das Hemd nicht mit einem so langen Zipfel haben«, maulte Flachskopf grinsend und zerrte wütend an dem langen Lappen.
»Das sieht doch niemand ,« schimpfte die Mutter, »und es ist warm für den Winter.«
Sie war selbst ärgerlich darüber, daß ihre Näherei so schlecht ausgefallen war. »Wenn man abends von der Arbeit müde ist, dann sieht man das nicht mehr so gut... Und nun fix ins Bett!«
Flachskopf hörte Nis durch die Hintertür hereinkommen, und um Schlimmeres zu verhüten, verschwand er in die Kammer. Er ließ sich aufs Bett fallen, wütend über soviel Rücksichtslosigkeit, und Hemd und alles war ihm plötzlich ganz egal. Sie würden schon sehen, wo das noch hinführte.
Gerade als er anfing einzuschlummern, kam Heini herein, um ebenfalls ins Bett zu gehen, und während er vorbeiging, ergriff er etwas, das über Flachskopfs Bettrand hing.
»Ist das ein Handtuch, das hier hängt ?« fragte er.
»Das ist mein Hemd, Kerl, laß du die Pfoten davon !« und Flachskopf zog es zu sich ins Bett.
Als Heini sich
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