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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
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Tongeren, und der Vater legte großen Wert auf die eine Birne, die es trug. Flachskopf hatte gestern aus der Frucht, die so verlockend in der Sonne heranwuchs, ein kleines Stück herausgebissen, überzeugt, daß der Rest deswegen doch weiterreifen würde, um seinem Vater Gelegenheit zu geben, die Sorte und ihren Geschmack kennen zu lernen.

    »Ich bin nicht dran gewesen«, sagte Heini.
    »Ich auch nicht«, fügte Nis hinzu.
    »Und ich bestimmt nicht ,« behauptete Flachskopf mit viel mehr Nachdruck als die anderen, während sein Gesicht glühend rot wurde, »ihr wißt doch, daß ich keine grünen Birnen mag.«
    »Kommt dann mit, um die Füße zu messen«, sagte der Vater zu allen dreien. Heini und Nis, die die Sache sehr ernst zu nehmen schienen, erhoben sich sofort, um ihrem Vater zu folgen. Flachskopf mußte erst unter dem Tisch nach seinen Holzschuhen suchen und folgte dann widerwillig. »Ich weiß nicht, was ich habe ,« sagte er erst noch zur Mutter, »ich habe schon den ganzen Morgen Bauchkneipen.«
    Das Bäumchen stand am Giebel des Backhauses, rund herum war der lockere Boden säuberlich geharkt, und mitten darin waren jetzt zwei deutliche Fußspuren. Heini hielt zuerst den Fuß daneben; er war fast doppelt so lang wie die verräterische Spur. Dann Nis — von ihm konnte sie auch nicht stammen. Als Flachskopf zitternd herantrat, fest entschlossen, seinen Fuß so zu drehen, daß er doch nicht passen würde, griff sein Vater ihn beim Arm, und ohne weitere Beweise seiner Unschuld zu verlangen, versetzte er ihm einen so heftigen Fußtritt, daß er mit zwei Schritten zur Hintertür hineinflog. In der Wohnstube hätte er beinahe von seiner Mutter noch eine Tracht Prügel dazu bekommen. Er hatte gut schreien, daß er so unschuldig sei wie ein Lamm und daß sie doch ganz genau wisse, daß er keine grünen Birnen möge — seine Mutter ließ sich nicht überzeugen, und Flachskopf mußte dableiben und Kartoffeln fürs Mittagessen schälen.
    Er hätte vor Ärger heulen können. Endlich hatte er nun einmal schulfrei, noch dazu an einem Sonnabend, und mußte nun dasitzen und diese blöden Kartoffeln schälen! Locke, Dabbe und die andern gingen gewiß jetzt los, zogen in den Wald oder suchten Vogelnester, ohne daß Väter oder Mütter sich um sie kümmerten. Draußen herrschte so ein echter Sonnentag, aber in Flachskopfs Herzen war es tiefer Winter. Wäre er doch nur schon am Morgen ausgerissen, dann säße er jetzt nicht hier drin! Der ganze Tag war zum Teufel... Aber er wollte sämtliche Augen in den Kartoffeln lassen... Da würde Nis wieder ein Gesicht machen...
    Neben ihm auf der Bank schlummerte friedlich die Katze, die Pfötchen schön unter ihrem Leib gefaltet, den Schwanz daneben, mit dem Ende fast unter ihrer Nase, und die Augen fest zugekniffen. Mieze hatte gewiß in der Nacht keine Zeit zum Schlafen gehabt und mußte das nun bei Tage nachholen. Ab und zu lief ein kurzes Zucken über ihre Nase, und die langen Haare ihres Schnurrbartes zitterten.
    Diese Katze hat eigentlich ein viel schöneres Leben als ich, dachte Flachskopf. Sie darf so gemütlich daliegen und schlafen, und kein Mensch tut ihr etwas zuleide, während ich ... Es war sehr still in der Wohnstube. Im schwarzen Herd, dem Flachskopf gerade gegenüber saß, glühten noch ein paar Kohlen unter der Asche; der Wasserkessel und die Kaffeekanne standen brüderlich nebeneinander, mit der Schnauze nach dem toten Feuer zu. Die alte Wanduhr tickte die Minuten so träge herunter, als ob sie niemals bis zum Abend durchhalten würde. Die Fliegen schwärmten lässig und leise an der Decke und über dem Tisch, wo sie der Reihe nach an Kaffeeflecken und Brotkrümeln nippten. Die Sonne warf durchs Fenster einen großen hellen Fleck über Tisch und Fußboden. Der arme Flachskopf drehte immerzu die Kartoffeln zwischen seinen Fingern, ließ die langen, geringelten Schalen in denkleinen Korb fallen und warf dann die weiße Knolle mit einem Plumps in den Wassereimer. Bei jedem Plumps machte die Katze flüchtig ein Auge auf und schlief dann ruhig weiter. Sie wußte ganz gut, daß es in Flachskopfs Nähe angebracht war, nur mit einem Auge zu schlafen. Die Katze ärgerte ihn immer mehr.
    Mutters Nähkästchen stand ebenfalls auf der Bank, und obendrauf lag ein grauer Strumpf, quer mit einer großen Stopfnadel durchstochen. Plötzlich bemerkte Flachskopf diese Stopfnadel, zog sie ganz leise heraus, bog sich etwas über die Bank und stach die Mieze heimtückisch in den Hintern.

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