Flachskopf
helfen wissen. Darüber machte sich Flachskopf keine Kopfschmerzen.
Er schlich leise zum Küchenschrank, schnitt sich zwei kräftige Butterbrote ab, die er in seine Innentasche stopfte, und noch ein drittes, das er an Ort und Stelle verzehrte, setzte sich dann wieder vor sein Buch und vergaß in Erwartung des fröhlichen Nachmittags allen Jammer.
Er nahm eine erschlagene Fliege zwischen Daumen und Zeigefinger, riß ihr den Kopf ab und quetschte ihn zwischen eine gefaltete Seite seiner »Biblischen Geschichte«. Als er die Falte wieder aufmachte, stand da wahrhaftig in der Ecke der Seite eine kleine rote Figur, die, ohne daß man sie eigentlich irgendwie hätte deuten können, so zart und gleichmäßig war, als ob sie gedruckt gewesen wäre. Ein zweiter Fliegenkopf zeichnete auf der nächsten Seite eine andere Illustration, und Flachskopf fand die Sache so unterhaltend, daß er wahrscheinlich sämtliche Seiten seines Buches mit Fliegenkopffiguren geziert haben würde, wenn er nicht an der Hintertür den Schritt Heinis vernommen hätte, der schon zum Essen kommen wollte und auf diese Weise Flachskopf zum Propheten Daniel zurückrief.
»Sind die Kartoffeln noch nicht weich ?« rief Heini, während er sich im Waschraum die Hände wusch. »Kochen tun sie schon !« rief Flachskopf zurück.
Heini trat ein, sah erst die Uhr, dann Flachskopf an, hob den Deckel vom Kessel, um sich zu überzeugen, daß er nicht mehr allzulange zu warten brauchte. »Unsere Mutter wird doch nicht wieder vergessen haben, die Kartoffeln zu salzen ?« fragte er, denn er wußte, daß dies bei der Mutter nicht selten der Fall war.
»Ich weiß nicht ,« log Flachskopf wieder, und nach kurzem Zögern fügte er hinzu, »ich habe nichts gesehen... Wenn ich mirs richtig überlege, glaube ich, daß sie kein Salz hineingetan hat .«
Heini ging daraufhin zum Salztopf, griff ebenfalls hinein, und Flachskopfs Kartoffeln wurden zum dritten Mal gesalzen. Dann ging er hinaus, um an diesem und jenem herumzubasteln, bis der Tisch gedeckt wurde. Flachskopf lachte vor sich hin. Was für ein Gesicht würden sie heute mittag machen! Da könnten sie mal sehen, was es einbringt, ihm die Arbeit aufzutragen, die sie selber zu machen hätten. Er sah schon, wie sein Vater die erste Kartoffel, die er an den Mund brachte, mit seinem üblichen »Verdammt noch emal !« auf den Tisch warf. Er hörte Heini brummen, daß es zum Umfallen wäre, und Nis... ja, alle vier würden sie einander einen Augenblick angucken, als hätten sie Essig getrunken, dann würde jeder wütend etwas sagen, und dann würden sie fragen, wo Flachskopf wäre. Zuletzt erst dachte Flachskopf an sich selbst und welche Folgen die dreifach gesalzenen Kartoffeln für seine Person mit sich bringen könnten. Denn es war eine Eigentümlichkeit seines Gewissens, daß es ihn nie an seine Sünden, sondern stets nur an die unangenehmen Folgen dieser Sünden erinnerte. Er bekam es mit der Angst zu tun und hielt es für ratsam, sich abseits zu halten. Ein Butterbrot hatte er ja schon gegessen und noch zwei in der Tasche. Im Küchenschrank fand er noch ein Stück Speck. Als seine Mutter in die Wohnstube trat, um den Tisch zu decken, schob sich Flachskopf, ohne seine Absicht irgendwie zu verraten, zur Tür hinaus, versteckte sich eine Weile hinter dem Holzstoß, bis er mit Sicherheit annehmen konnte, daß alle drinnen waren, und lief dann durch den Garten, wo er vier Birnen abpflückte, auf die weiten Wiesen.
E r war links auf eine Wiese eingebogen, weil er auf dieser Seite von einem Kornfeld verdeckt wurde und nicht mehr zurückgerufen werden konnte. Unter einem großen Erlenbusch ließ er sich nieder, nachdem er sich erst überzeugt hatte, daß keine Ameisen im Grase saßen. Nachdem er sich verschnauft hatte, stellte er sich ein paarmal vor lauter Freude auf den Kopf, um so nach dem Himmel zu sehen, der dann viel höher und breiter war, als wenn man ihn aufrecht betrachtete. Der ganze goldene Nachmittag lag vor ihm, und es war erst Mittag. Jetzt ärgerten sie sich zu Hause über die salzigen Kartoffeln und schnitten Gesichter. Flachskopf sah sie deutlich vor sich, und je mehr er darüber nachdachte, um so deutlicher sah er sie, und er mußte sich den Bauch halten vor Lachen. Wie wütend mußten sie sein, daß sie ihn nicht unter den Händen hatten!
Es war erstickend heiß in dieser vollen Mittagsstunde. Über dem ausgedehnten Bruch brannte die Sonne so gewaltig, als ob der Himmel schmelzen wollte, und über den
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