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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirinda Jarrett
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schmerzlich. Er wollte und musste ihre Stimme hören, und sei es auch nur, um die Fragen in seinem Kopf zu übertönen. Diese Frau war wirklich hier, sie war kein Fanatasiebilds, und sie war jetzt der einzige Mensch, dem er vertrauen musste, das Einzige, woran er sich halten musste.
    „Wenn heute Euer Feiertag ist“, bemerkte er übergangslos, weil ihm weiter nichts einfiel, „weshalb seid Ihr dann nicht in Eurem Gemeindehaus?“
    „Weil ich dort nicht willkommen bin.“ Demaris wischte den letzten Seifenrest fort. „Eben gehörte der .Gesellschaft der Freunde“ nicht an. Mit meiner Heirat verstieß ich deshalb gegen die strengen Regeln der Quäker und wurde aus der Gemeinde ausgeschlossen.“
    Sechs Jahre waren seitdem vergangen, doch sie hatte nicht vergessen, wie demütigend es gewesen war, als die verknöcherten alten Männer und Frauen des Komitees ihr die Eheerlaubnis verweigert und sie einer Verfehlung bezichtigt hatten, weil sie auch nur darum nachgesucht hatte. Sie hatte zu Gott gebetet, dass er sie führen möge, und dann in Ebens Kirche geheiratet, allein, ohne eigene Freunde oder Freundinnen, die ihr hätten Glück wünschen können.
    „Jetzt, da er doch verstorben ist... “, begann Jonathan ratlos.
    Demaris schüttelte den Kopf. „Das spielt keine Rolle. Ich habe gefehlt. Ich darf nicht zurückkehren, wenn ich nicht vor die Gemeinde trete, dieses bekenne und um Vergebung bitte. Doch das werde ich nicht tun. Ich bedaure nichts, und lügen werde ich nicht, nur um denen zu gefallen, die Gottes Worte nach eigenem Gutdünken auslegen.“ Sie lächelte kurz und bitter. „In Newport Spricht auch jetzt noch keines der weiblichen Gemeindemitglieder mit mir. “
    Sie zuckte ein wenig mit der Schulter, und das sagte ihm genug. Der graue Mantel der Demut konnte ihren Mut, ihren Kampfgeist nicht verbergen. Jonathan hoffte nur, der alte Master Allyn hatte gewusst und geschätzt, was sie für ihn getan hatte. Sie war eine stolze Frau, die weder ihre Liebe noch ihr Loyalität leichtfertig verschenkte. Dennoch - wie unglaublich einsam musste sie hier draußen sein!
    Er streichelte ihre Wange mit seinen Fingerknöcheln. „Es mag Euch gefallen oder nicht, meine Quäker-Scheherez-ade“, sagte er sanft, „doch es scheint, als seien wir beide Schiffbrüchige, nicht wahr?“

4. Kapitel
    Bei Jonathans Berührung spürte Demaris ihr Herz schneller schlagen. Er hatte recht, sie waren beide Schiffbrüchige. So hatte sie es nur noch nie gesehen. Und die Art, wie er es gesagt hatte! So viel Zärtlichkeit hatte sie seit Ebens Tod nicht mehr in der Stimme eines Mannes gehört.
    Doch Jonathan war nicht Eben. Er war nicht einmal ein Freund, erst recht kein Gatte. Er mochte sogar ein Feind sein. Der eine Kuss war eine Torheit gewesen, und ein zweiter wäre unentschuldbar. Rasch stand sie auf und wischte umständlich das Rasiermesser sauber, um der Frage nicht zu begegnen, die ihm sicherlich in den Augen stand.
    „Ihr müsst jetzt schlafen“, sagte sie und merkte sofort, dass sich das tatsächlich nach einer „gottverdammten Kindermagd“ anhörte. „Falls es Euch heute Abend besser geht, brate ich Euch vielleicht Schinken und Zwiebeln, denn Euer Abendessen habt Ihr ja schon zum Frühstück gegessen.“ Schlimmer als eine Kindermagd, dachte sie. Jetzt verspreche ich ihm auch noch gutes Essen für gutes Verhalten!
    Sie verließ die Küche so eilig, dass das Seifenwasser aus der Schüssel in ihren Händen überschwappte. Es spritzte auf ihren Rock und auf den Fußboden. Draußen goss sie es aus und spülte die Schüssel am Brunnen sauber.
    Der Morgen war sonnig, doch im Freien war es für jemanden ohne Mantel oder Umschlagtuch viel zu kalt. Dennoch war Demaris froh, Jonathan entflohen zu sein. Was veranlasste sie in seiner Nähe nur ständig dazu, sich so merkwürdig zu benehmen?
    Die graugesprenkelten Perlhühner waren bei Demaris’Erscheinen sofort herbeigelaufen gekommen, und nun umringten sie sie, gackerten und pickten eifrig nach nicht vorhandenen Körnern. Wenigstens benahmen sie sich so anständig, den Hahn in ihrer Mitte nicht zu beachten, was mehr war, als man von der Hofherrin sagen konnte.
    Demaris hörte das Pferd herangaloppieren, ehe sie es sehen konnte. Sie stieg auf die niedrige Steinmauer, um über den Hügel auf den Pfad hinunterzuschauen. Nach Nantasket kamen nur selten Besucher, und kaum jemand kam zu Pferd.
    Der Reiter sah sie und winkte ihr zu. Zwar war er noch viel zu weit entfernt, als dass sie

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