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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirinda Jarrett
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„Und Sabbate ebenfalls nicht.“
    „Demaris, hört mir zu! Ihr könnt hier draußen nicht leben, ohne Euch in irgendeiner Weise zu schützen. Euer Eben hat das gewusst. Wenn er diese Muskete aufbewahrte, dann nur zu Eurem Schutz.“
    „Zum Schutz! Wenn Schusswaffen dazu da sind, um die Menschen zu schützen, möchte ich wissen, weshalb Ihr mit einem Einschuss im Bein umherhumpelt.“
    „Die Dinger schießen nicht von selbst, Demaris“, stellte Jonathan mit bemerkenswerter Geduld fest. „Ihr könnt je-
    des einzelne Gewehr und jede einzelne Pistole in den Ozean werfen, und Ihr würdet trotzdem die Menschen nicht daran hindern, sich gegenseitig umzubringen. Die Leute nehmen einfach wieder Messer oder Hackebeile oder was sonst gerade griffbereit ist. Fäuste sind übrigens in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht zu verachten.“
    „Ihr wollt einfach nicht verstehen.“ Demaris verschränkte die Arme vor der Brust in einer Geste der Resignation, die Jonathan wiederum in Rage brachte. „Wenigstens seid Ihr aufrichtig, und das ist mehr, als ich von Eben zu sagen vermag. Dennoch kann ich Eure zur Schau gestellte Gewalttätigkeit auf meinem Land nicht dulden. “
    „Und wer hat eben auf den verdammten Apfelbaum eingeschlagen?“, erkundigte sich Jonathan mit Donnerstimme.
    Demaris merkte, dass sie errötete, dennoch behielt sie beharrlich ihren Kurs bei. „Bitte, Jonathan, gebt mir die Muskete zurück.“
    „Nein. “ Er hob das Gewehr hoch über seinen Kopf und damit außerhalb Demaris’Reichweite. „Ich wette, ich bin haargenau so unaufrichtig wie Euer alter Ehegemahl, weil ich nämlich nicht mit ansehen werde, wie Ihr das liebe Gänschen spielt, das brav auf einen Fuchs wie Sam Hull wartet. Weshalb zum Teufel schuldete Euer Eben übrigens einem solchen zweifelhaften Dunkelmann Geld?“
    Ihre Reaktion verblüffte ihn. Demaris machte den Mund auf und wieder zu und blickte eindeutig schuldbewusst drein. Hatte sie etwas zu verbergen?
    „Ich ... ich habe Ebens Angelegenheiten nie infrage gestellt“, antwortete sie stockend und erkannte sogleich an seinem schiefen Lächeln, dass er ihr nicht glaubte. Falls er jetzt noch lange weiterfragte, würde sie die Fassung verlieren und ihm womöglich alles über Ebenezer Allyn und dessen Schmuggelgeschäfte erzählen.
    „Wie kam es überhaupt, dass Euer Ehegatte etwas mit solchen Schurken zu tun hatte?“, fragte er noch einmal und beobachtete Demaris dabei genau. „Und was wollt Ihr tun, falls dieser Hull zurückkommt?“
    „Er wird nicht zurückkommen“, erklärte sie. „Am zweiten Tag werde ich nach Newport fahren und ihn bei Ebens Bruder anzeigen. Falls sich Hull irgendwo in der Nähe der Stadt aufhält, wird Roger dafür sorgen, dass mir der Mann keinerlei Schwierigkeiten mehr bereitet. “
    Langsam stellte Jonathan die Muskete mit dem Kolben nach unten auf den Boden. Demaris schien sich jetzt beruhigt zu haben, und außerdem schlief ihm langsam der Arm vom langen Hochhalten ein. „Was macht denn diesen Roger zu einem solchen Ausbund an Güte?“
    „Roger Allyn ist der für das Seegericht zuständige Oberste Richter.“ Demaris seufzte. Es widerstrebte ihr beträchtlich sich an ihren Schwager zu wenden, doch das schien die einzige Möglichkeit zu sein, Jonathan davon abzuhalten, ihr weitere Fragen zu stellen.
    „Selbstverständlich ist Roger ein den weltlichen Dingen überaus zugeneigter Mensch“, gab sie zu, „und mit Eben verband ihn auch keine große Liebe - mit mir ebenfalls nicht -, dennoch glaube ich, dass er ein Gewissen besitzt und sich der Sache annehmen wird, wenn ich ihn darum bitte.“ Nachdenklich blickte Jonathan in die Dämmerung hinaus und schwieg. Was spielte es für eine Rolle, dass Demaris’ Schwager Richter am Seegericht war? Bis jetzt hatte sie ihn, Jonathan, ja noch nicht angezeigt, und er bezweifelte auch, dass sie das tun würde. Trotzdem bereitete ihm der Gedanke Unbehagen. Er hatte schon Verurteilte am Galgen baumeln sehen, und das war gewiss kein schöner Tod.
    Heute in der Nacht, wenn Demaris schlief, könnte er fortgehen. Er könnte sich nach Newport zu den Docks begeben und sich auf irgendeinem Segler anheuern lassen. Und was würde dann aus Demaris werden? Er betrachtete sie, wie sie jetzt vor ihm stand.
    Ihre Haube und ihre beschmutzte Schürze leuchteten gespenstisch hell im Zwielicht. Sie blickte auf ihre zerschrammte Hand hinunter, und mit gebeugtem Kopf sah sie so furchtbar verletzlich aus. Sie hatte ihm das Leben

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