Flagge im Sturm
Schutz auf den Kais herumzulaufen.“
„Jonathan, wartet! “
Er neigte den Kopf und küsste sie rasch auf die Stirn. „Ich bin so bald wie möglich wieder zurück, Demaris. Und denkt immer daran: Ich vertraue auf Eure absolute Wahrheitsliebe!“
Demaris schaute ihm hinterher. Pfeifend und so selbstbewusst spazierte er den Kai hinunter, als gehörte ihm die ganze Stadt. „Daniel, hast du eine Ahnung, was Jonathan plant?“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Ich würde es auch nicht verraten, wenn ich es wüsste“, erklärte er düster. „Nicht nach gestern Nacht. Ich dachte, er würde mich verprügeln, weil ich so viel gesagt hatte, obwohl ich ihm doch vorher hatte schwören müssen, den Mund zu halten.“
„Du willst mir nichts sagen, obwohl ich doch diejenige bin, deren Land du bearbeitest, und die dafür sorgt, dass du ein Dach über dem Kopf hast? Oder hast du vergessen, dass Jonathan nicht dein Herr ist?“
„Nein, Mistress, ich weiß es ganz genau, dass er das nicht ist.“ Verlegen rieb sich Daniel die Hände an seinem Hosenboden. „Ja, also bei allem Respekt, Mistress, vieles ist seit Master Allyns Tod nicht mehr so, wie es einmal war. Ihr tut Euer Bestes, nur gibt es Dinge, für die braucht es einen Mann, um sie ordentlich zu machen. Master Sparhawk weiß das auch.“
Und Demaris wusste das ebenfalls, was sie Daniel gegenüber selbstverständlich nicht eingestand. Sie stellte sich wieder an die Reling und versuchte sich für die Stadt zu interessieren, die vor ihr lag.
Wie Newport, so begann auch Providence gleich unten beim Wasser und zog sich dann einen hohen Hügel hinauf, doch damit hörten für Demaris die Ähnlichkeiten auf.
Ihr kam Providence recht klein und ärmlich vor. Hier gab es nichts als einfache Lagerhäuser, kleine Werkstätten und schlichte, neue Häuser, von denen keines so herrlich war wie ihr eigenes auf Nantasket, und schon gar nicht so großartig wie die eleganten Villen an der Broad Street von Newport, wo sich ja auch Rogers befand.
Der Hafen schien recht gut ausgebaut zu sein, doch weshalb sollte ein Kauffahrer bis hierher segeln, um Handel zu treiben, wenn doch Newport so nahe am Eingang der Bucht lag?
Nein, hier gab es tatsächlich nichts Interessantes, jedenfalls nichts, was Demaris zu der Überlegung veranlassen würde, wohin Jonathan wohl gegangen sein mochte. Ganz abgesehen davon jedoch war es doch wirklich ungerecht, dass Männer überall herumspazieren durften, wo immer es ihnen beliebte, während von Frauen stets erwartet wurde, dass sie ihr ganzes Leben lang an einem Ort blieben. Demaris hatte sich so sehr darauf gefreut, nach Providence zu reisen, und nun war sie hier auch wieder an einen Ort gebunden, als wäre sie ein Baum mit Wurzeln.
Sie seufzte, spielte an den Bändern des großen, flachen Strohhuts, den sie wegen der Sonne trug, und wünschte sich, Jonathan möge bald zurückkehren.
Sie brauchte nicht lange zu warten. Sobald sie ihn entdeckte, reckte sie sich hoch. Mit gesenktem Kopf kam er heran, vertieft in ein Gespräch mit einem Mann, der eine gestreifte Schürze und eine schlecht sitzende Perücke trug. Jonathan gestikulierte lebhaft beim Sprechen und lachte fröhlich. Wieder fragte sich Demaris, was er nur Vorhaben mochte.
„Demaris, meine Liebe, Dies ist Master Samuel Collins, der Besitzer der ,Grünen Schildkröte“, rief er, während sie auf das Schiff zukamen. „Master Collins, und das dort ist Demaris Allyn, die liebreizende Quäkerin, von der ich Euch berichtet habe.“
Widerstrebend reichte Demaris dem Mann die Hand. Collins’ Schuhe waren abgetragen und hinten so weit heruntergetreten, dass sie mehr nach Pantoffeln aussahen. Er war sehr blass, und hinter seiner Brille tränten ihm die Augen, als würde er sich nur selten hinter seinem Schanktisch hervor an das Tageslicht wagen.
„Keine Förmlichkeiten, Mistress, ich bitte Euch.“ Er lächelte dünnlippig. „Master Sparhawk hat mir alles erklärt. Ich darf Euch sagen, Ihr seid eine tapfere Dame. Eine mächtig tapfere Dame. Den Wein direkt unter der Nase Eures elenden Schwagers wegzustehlen, nur um seine Seele vor der ewigen Verdammnis zu retten - also, das ist der Stoff, aus dem Heldendramen gemacht werden, Ma’am!“
„Verzeiht, Samuel Collins, doch es scheint mir, als wüsstet Ihr mehr davon als ich. “ Demaris bezweifelte nicht mehr, dass sie zum Gegenstand eines üblen Scherzes gemacht werden sollte. Sie wandte den Blick zu Jonathan, der sie seinerseits unschuldig
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