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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirinda Jarrett
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hinauf. Offenkundig glaubte er, Demaris befände sich dort oben und schliefe. „Hier ist Ned Carr von Master Roger Allyns Haushalt, Mistress, und ich habe traurige Nachricht für Euch! Um Gottes willen, Mistress Allyn, bitte, kommt! “
    „Bleibt hier, Demaris“, sagte Jonathan fest. „Ich werde ihn fortschicken.“
    Demaris schüttelte den Kopf. „Nein, Jonathan, ich kenne den Mann, und er wäre gewiss nicht hier, hätte er nicht wirklich einen triftigen Grund dazu.“ Sie ließ sich vom Tisch gleiten. Ihre Beine waren noch so schwach wie die eines neugeborenen Fohlens. Wie konnten Jonathan und sie jetzt so ruhig miteinander sprechen, als wäre nichts geschehen, wo sie doch seine Feuchtigkeit noch an ihren Schenkeln fühlte? „Ich muss an die Tür gehen.“
    Jonathan hielt ihren Arm, um sie zu stützen. „Ihr braucht diese Tür niemandem zu öffnen. Was der Mann zu sagen hat,
    kann bis morgen warten. “
    „Nein, ich muss, Jonathan.“ Mit beiden Händen strich sie sich das Haar aus dem Gesicht. „Dies ist mein Haus, und es ist recht, dass ich die Tür öffne.“
    Sie blickte in sein Gesicht, das im Mondlicht so hart und streng wirkte, und mit einem Mal war sie den Tränen nahe. Sie berührte sanft seine Wange, er drehte den Kopf ein wenig und küsste ihre Handinnenfläche. Demaris schloss die Augen vor den Empfindungen, die diese kleine Berührung erneut in ihr auslöste.
    „Mistress Allyn! “, rief der Mann wieder und diesmal noch drängender. „Kommt Ihr, Mistress Allyn?“
    Widerstrebend zog sie ihre Hand von Jonathans Lippen fort und eilte zur Tür. Während sie den Riegel zurückschob, merkte sie, dass sich Jonathan hinter ihr in eine dunkle Ecke zurückzog, wo er nicht gesehen werden konnte, in die Ecke, in der die Muskete lehnte.
    Mit der Hand am Türrahmen zögerte Demaris einen Moment. Sie wünschte, sie bräuchten das Gewehr nicht. Sie, hatte die Gründe für Jonathans Warnung eingesehen, dennoch hasste sie es, die Muskete im Haus zu haben, und noch mehr hasste sie die Gewalt, für die diese Waffe stand.
    Ned Carr drehte seine Strickmütze in den Händen. Trotz der kühlen Morgenluft war sein Gesicht schweißbedeckt. Er deutete eine ungeschickte Verbeugung an und drückte Demaris einen Brief in die Hand.
    „Schreckliche Nachricht, Mistress, ganz schreckliche Nachricht!“, jammerte er, während Demaris das Siegel erbrach. „Unsere Mistress ist tot, und unser Master ist vor Kummer irre geworden! “
    Mit dem noch ungelesenen Brief in den Händen erstarrte Demaris. Ned hielt ihr Schweigen für die Aufforderung zum Weiterreden.
    „Ist die Vordertreppe hinuntergestürzt, unsere Mistress, und hat sich den Hals gebrochen, die Ärmste. Master Allyn fand sie ganz verdreht unten liegen. Er hat geweint, als wäre sein Herz zersprungen. Wir haben es nur mit Mühe geschafft, ihn von der Mistress fortzuziehen, damit wir sie ordentlich aufbahren konnten. Was für eine traurige, traurige Nacht, Mistress!“
    Demaris nickte stumm und versuchte, das Gehörte zu verarbeiten. Sie erinnerte sich an die steile Vordertreppe hinauf zum Obergeschoss des Newporter Hauses, eine ungewöhnliche Treppe, die nicht geschwungen war und auch keinen Absatz auf halber Höhe aufwies, der Evelyns Sturz möglicherweise hätte abfangen können.
    Demaris dachte ebenfalls an Evelyns kleine Schuhe mit den hohen, gebogenen Absätzen und an ihre über den Boden fegenden Schleppröcke. Darin konnte sie sich sehr wohl mit einem Absatz verfangen haben und dann die lange, steile Treppe hinuntergefallen sein.
    Andererseits musste sie auch an die Blutergüsse in Evelyns Gesicht denken, an denen sie Roger die Schuld gegeben hatte. Nein, was sie jetzt dachte, durfte sie nicht einmal auch nur in Betracht ziehen. Ebenezer hatte seinen Halbbruder zwar sehr oft mit Schimpfwörtern belegt, doch einen Mörder hatte er ihn nie genannt. Du lieber Himmel, wohin schweiften ihre Gedanken denn nur ab?
    Die Morgendämmerung war angebrochen und hatte den Himmel blassgrau gefärbt. Demaris versuchte, den Brief in diesem schwachen Licht zu lesen. Die Worte waren quer über den Bogen geworfen, Tintenkleckse zeigten sich dort, wo die Feder zu sehr aufgedrückt worden war.
    Demaris - was Ned Dir von meiner Evelyn erzählt, ist wahr. Ich bin verloren, verloren! Ich flehe Dich an, komme zu mir, wenn Du kannst! Schwägerin, Du bist jetzt meine einzige Verwandte - R. A.
    Ordentlich faltete sie den Bogen wieder und drückte das erbrochene Wachssiegel mit den

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