Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirinda Jarrett
Vom Netzwerk:
andere Witwe gefunden hatte, die er plagen konnte.
    An einem späten Freitagabend bereitete sie das Abendessen zu. Sie war allein im Haus, und die Haustür war verriegelt.
    Demaris wollte schnell noch heiße Küchlein zum Nachtisch backen, denn davon konnte Jonathan ein Dutzend ganz allein vertilgen.
    Die Förmchen waren gefettet, der Zuckerhut war zerkleinert und durchgesiebt. Sie vermengte den Zucker mit der Butter, dem Mehl und den zehn geschlagenen Eiern, und erst dann merkte sie, dass sie keine Korinthen im Haus hatte. Selbstverständlich war es auch möglich, die Küchlein mit Mandeln zu backen, doch Jonathan mochte sie nun einmal am liebsten mit Korinthen, und Demaris wusste, dass Ruth ihr damit aushelfen konnte.
    Sie hielt die Hand in den Backofen neben dem Herd, zählte, bis sie die Hitze nicht länger ertragen konnte, und zog dann die Hand zurück. In der Zeit, die sie für den Weg zum Haus der Turners und zurück benötigte, würde der Ofen backbereit sein. Sie ließ ihre Schürze auf dem Tisch zurück, rollte ihre Ärmel herunter und eilte zur Hintertür hinaus.
    Der Nebel war heute sehr früh vom Meer hereingekommen und hatte die Grenze zwischen Himmel und Wasser verwischt. Jetzt trieb er wie die Fetzen eines zarten Schleiers vom Strand herauf. Weil sie fror, steckte Demaris die Hände unter die Arme und lief sehr schnell den vertrauten Pfad über zwei Hügel und an den hohen, kantigen Felsklippen vorbei, die unmittelbar aus dem Meer aufstiegen.
    Dort entdeckte Jonathan sie. Er hatte Caleb eine Axt zurückgebracht und befand sich gerade auf dem Rückweg von dem Haus der Turners. Als Demaris ihn sah, blieb sie stehen. Ein Lächeln zog über ihr Gesicht, und die Liebe durchflutete ihren ganzen Körper.
    Sie trug ein schlichtes, schieferblaues Gewand. Vor den grauen Felsen und in den Nebelschleiern schimmerte ihr
    Haar wie gesponnenes Gold. Scheu lächelte sie Jonathan entgegen. Sie erschien ihm so schön, dass es beinahe schmerzte. Als er sie schließlich in die Arme nahm, fragte er sich, ob er je in der Lage wäre zu glauben, dass er diese Frau einmal ganz für sich allein besitzen würde.
    „Scheltet mich nicht, weil Ihr mich hier ganz allein und unbegleitet vorfindet.“ Mit ihrem gesenkten Kopf sah sie aus wie ein schuldbewusstes Kind. Wie sie ihn allerdings unter den Wimpern hervor anschaute, das hatte absolut nichts Kindliches an sich. „Ihr seht jedoch selbst, dass mir hieraus keinerlei Schaden erwachsen ist, und außerdem benötige ich dringend Korinthen. “
    „Korinthen?“ Er hob ihr Kinn mit dem Daumen an und blickte ihr gespielt streng in die Augen. „Ihr setzt für Korinthen das Leben der Frau aufs Spiel, die ich liebe?“
    Sie versuchte, ebenso ernst zu tun wie er, musste jedoch hinter vorgehaltener Hand wie eine einfältige Jungfer kichern. Das ging ihr jedes Mal so, wenn er sie neckte, und sie hoffte, so würde es auch für alle Zeiten bleiben. Wenn sie es sich recht überlegte, so hatte sie seit seinem Auftauchen hier auf Nantasket mehr gelacht als während der ganzen sechsundzwanzig Jahre zuvor.
    „Gewiss“, antwortete sie. „Ihr hättet es mir doch niemals vergeben, wenn ich Eure geliebten heißen Küchlein ohne Korinthen gebacken hätte.“
    Aus dem Augenwinkel bemerkte Jonathan den dumpfen Glanz eines Gewehrlaufs. Die Waffe bewegte sich und zielte auf sie beide. Instinktiv packte er Demaris bei den Armen, riss sie zu Boden und warf sich über sie. Im selben Augenblick fiel der Schuss und hallte zwischen den Felsen wider. Die Kugel hatte das Ziel verfehlt, doch dem Geräusch nach zu urteilen nur um wenige Handbreit. Ein Scharfschütze also, dachte Jonathan, jemand, der sein Geschäft versteht.
    „Jonathan?“ Demaris bewegte sich unter ihm. Sie hatte noch nicht ganz begriffen, was geschehen war, doch jetzt war keine Zeit für Erklärungen.
    Jonathan kroch von ihr fort und rannte dann zu den Felsen, von denen der Schuss gekommen war. Ihm blieben schätzungsweise dreißig, vierzig Sekunden. So lange dauerte das erneute Laden des Gewehrs. Falls er den Schützen bis dahin nicht erreichte, durfte er sich als tot betrachten - und Demaris wahrscheinlich ebenfalls.
    Seine Stiefel versanken in dem sandigen Pfad, sodass er nicht sehr schnell vorankam, bis er an die Felsen gelangte. Er suchte sich an den Steinen einen Halt, wo immer das möglich war, und mühte sich verzweifelt, die Spitze der Klippe zu erreichen.
    Sein Bein schmerzte höllisch, der verletzte Muskel wollte sein Gewicht

Weitere Kostenlose Bücher