Flaming Bess 04 - Das Grauen an Bord
allen Heiligen!« sagte der dicke Mann wieder. Goldberg rannte los.
Tyna lachte wieder und floh, dem Ende des Gangs entgegen, zum Hauptkorridor des Kabinentraktes. Irgendwo entsetzte Schreie. Jemand rief seinen Namen, aber er achtete nicht darauf. Tyna verschwand im Hauptkorridor, und ihr Gelächter verwehte. Goldberg lief schneller, stürmte um die Ecke — und prallte mit einem Mann in der blauen Montur des Technischen Korps zusammen.
Der Mann gurgelte und stürzte zu Boden.
Achtlos stolperte Goldberg an ihm vorbei. Der Korridor war voller Menschen;
Männer, Frauen und Kinder auf dem Weg zur Kantine in der Zentralsektion.
Ihre Gesichter waren weiße Flecken, konturenlos, fremd, entmenschlicht wie das Gesicht des Kälteschläfers.
»Tyna!« kreischte Goldberg.
Dann entdeckte er sie. Sie schwebte über den Köpfen der Menschen und lachte ihn höhnisch an. Goldberg feuerte mit dem Nadler. Überall Entsetzensschreie, das Wimmern verängstigter Kinder, rauhe Flüche.
»Seine Augen!« rief jemand. »Seht euch seine Augen an!«
Die Menschen stoben davon, flohen in die Seitengänge, in die Kabinen.
Nur Tyna hing noch immer unter der Decke und lachte und lachte.
Goldberg machte einen Schritt auf sie zu, und plötzlich gaben seine Beine unter ihm nach. Er stürzte schwer, ohne Schmerzen zu spüren. Dumpfe Betäubung breitete sich in seinen Gliedern aus. Ich sterbe! dachte Goldberg. Sterne, große Sterne, ich sterbe …
Aber eine Stimme in seinem Kopf — eine fremde Stimme, rostig wie korrodiertes Metall, eisig wie das Nichts in den kosmischen Abgründen und grausig wie der Tod in finsterer Nacht — sprach mit falschen Trost: Für dich und mich beginnt das Leben erst.
Goldberg lag auf dem harten Boden des Korridors unfähig, auch nur einen Finger zu krümmen, vor einer Furcht erfüllt, die sich nicht in Worte fassen ließ, und hörte, wie sich Schritte näherten. Eine Gestalt wuchs über ihm auf, die Gestalt eines blassen Mannes mit pechschwarzen, sorgfältig gescheitelten Haaren, Hakennase, schmalen Lippen und stechenden Augen.
Der Mann trug einen schwarzen, konservativ geschnittenen Anzug. Goldberg kannte den Mann. Di Grey, dachte er benommen. Der Fremdweltenspezialist.
Di-Analytiker Grey …
Di Grey bückte sich. »Können Sie sprechen, Goldberg?« fragte er.
Goldberg starrte ihn stumm an.’
»Ihre Augen …«, sagte Di Grey.
»Wie Moos«, flüsterte Goldberg, ohne es zu wollen. Die Worte kamen wie von allein über seine Lippen. »Die Augen des Kälteschläfers. Ich habe den Schläfer gesehen. Er war im Eis begraben, ganz und gar im Eis begraben, und das Eis brach, und der Schläfer … Im 3. UD«, krächzte Goldberg.
»Der Schläfer ist erwacht. Und seine Augen …! Er hat mich berührt, Di Grey. Er hat mich mit seiner kalten Hand berührt, und dann kam Tyna, und ihr Gesicht war verbrannt, und sie lachte, Di Grey, sie lachte.«
Er befeuchtete seine trockenen Lippen. Noch immer konnte er sich nicht bewegen.
»Sehen Sie sie?«, fragte er heiser. »Ist sie noch immer da? Unter der Decke? Mit ihren blutenden Augen?«
»Beruhigen Sie sich«, sagte der Di-Analytiker. Aber sein Gesichtsausdruck war besorgt. »Wo haben Sie den Schläfer entdeckt? Wo im 3. UD?«
»In … der Luvsektion, hinter dem zentralen Klimaschacht … Ein alter Lagerraum … Aber der Schläfer ist erwacht … «
Polternde Schritte. Weitere Gestalten erschienen hinter Di Grey.
»Vorsicht«, sagte der Di-Analytiker. »Nicht berühren. Vielleicht ist es ansteckend. Alarmieren Sie Dr. Go. Schnell! Der Mann ist krank … «
Di Grey sagte noch mehr, aber seine Worte gingen in Tynas schrecklichem Gelächter unter, und Tyna hockte jetzt wie ein Dämon auf Goldbergs Brust, und ihr Gesicht war verbrannt, ihr Haar ein loderndes Feuer. Dann waren da Männer in weißen Schutzanzügen und mit Atemmasken, und kräftige Hände hoben ihn auf eine Trage, während Tyna ihm schaurige Dinge ins Ohr flüsterte, während die unmenschliche, rostige Stimme in seinem Kopf dumpf vor sich hin brabbelte. Er träumte eine Weile: von bemoosten Augen, die voller Gier die Menschen belauerten; von einem bleichen, hohlwangigen Mann in einer abgetragenen Raumfahrermontur, der durch die Korridore und Gänge der Oberdecks schlich; von einem bösen, fremden Ding, das sich als Mensch maskierte und sich vom Leben der menschlichen Maske nährte, ein namenloses Etwas aus dem Abgrund der Zeit, räuberisch und verzweifelt entschlossen, … Und dieses Etwas … dieses Ding
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