Flaming Bess 07 - Das galaktische Archiv
Glory Moon, Fortunato Stengel und Jasper »Chip« Chipansky an ihren Kontrollpulten sitzen. Gefesselt. Hilflos, von ohnmächtigem Zorn erfüllt.
Ihr Zorn gilt dir, dem Verräter, der es ihrem Erzfeind ermöglicht hat, die NOVA STAR zu erobern, doch ihr Zorn läßt dich kalt.
Menschliche Gefühle können eine Marionette nicht beeindrucken.
Die Raumfähre legt im Landedock des Unterdeckhangars an, und Krom schaltet zufrieden den Hauptbildschirm ab. Gemächlich dreht er sich mit seinem Sessel dem Zentralschott zu, vor dem — bewegungslos wie eine Statue, die Arme vor der Brust verschränkt — Adjutant Faal steht.
Niemand sagt etwas.
Die Stille hat eine bedrohliche Qualität, wie die Vorwegnahme der ewigen Stille nach dem Tod.
Der Tod …
Er schreckt dich nicht, und dennoch regt sich etwas in dir, als undeutlich und flüchtig wie Traumbilder Erinnerungsfetzen aus der Tiefe deiner eingekerkerten Seele aufsteigen. Du siehst die Ebenen von Clansholm, die Leichenberge, die brennenden Burgen des Clans. Du siehst die Klonsoldaten zu Tausenden und Abertausenden aus den Schattentoren strömen, und du siehst die Clansmänner, die sich furchtlos dem übermächtigen Feind entgegenstellen. Sie kämpfen tapfer und sie sterben tapfer, sie fügen dem Gegner furchtbare Verluste zu und werden am Ende doch bezwungen. Die Ebenen ertrinken im Blut der Gefallenen, der Himmel verfinstert sich, die Welt wird zu einem einzigen Grab. Der Clan der Allkämpfer ist ausgelöscht — nur du hastüberlebt. Und auf dich wartet die Schande der Gefangenschaft.
Erinnerungen …
An das Menschenlager von R’o-Chyn, an schreckliche Folterqualen und unermeßlichen Haß, an die gefahrenreiche Flucht, die keine Flucht war, weil sie dir von Krom bewußt ermöglicht wurde, damit der psychotronische Sender, den man heimlich in dein Gehirn transplantiert hat, den Herculeanern den Weg nach Terminus weist.
Erinnerungen …
Marionetten können sich nicht erinnern, aber du erinnerst dich.
Du erinnerst dich an deine Herkunft, deine Vergangenheit, deinen Namen.
Du erinnerst dich, daß du Ka, der Clansmann, bist und daß du Krom Rache geschworen hast. Du erinnerst dich an den Krieg und an die Verbrechen der Herculeaner, an die ungezählten Milliarden, die in Kroms Menschenlagern für aberwitzige genetische Experimente missbraucht werden, an die Schlacht um Terminus und die Flucht der NOVA STAR, an die einzelnen Stationen der abenteuerlichen Reise zu den galaktischen Randgebieten, die im Orbit um Larn-Saan ihr vorzeitiges Ende gefunden hat.
Und du erinnerst dich an Flaming Bess.
Flaming Bess, die nach dreißigtausend Jahre währendem Kälteschlaf im Tempel der Alten Kommandantin erwacht ist, um die letzten freien Menschen zur Erde zu führen.
Flaming Bess, die Frau, die du liebst und verehrst, für die du dein Leben opfern würdest, wenn du damit ihr Leben retten könntest.
»Sir?« sagt Adjutant Faal in diesem Moment.
»Ja ?« erwidert Kriegsherr Krom.
»Die Gefangenen sind auf dem Weg ins Kommandodeck. Sie werden in wenigen Minuten die Zentrale erreichen.«
»Gut« Krom lehnt sich zufrieden zurück. Sein Gesicht ist ausdruckslos wie das deine, nur das Funkeln in seinen eisgrauen Augen verrät etwas von den triumphierenden Gefühlen, die ihn bewegen.
Deine Augen sind tot.
Deine Erinnerungen versinken wieder in der Tiefe deiner geknechteten Seele.
Mit einem Zischen öffnet sich das Zentralschott. Adjutant Faal tritt zur Seite, und mit dröhnenden Schritten marschieren Klonsoldaten in die Zentrale. In ihrer Mitte — gefesselt und entwaffnet — die Gefangenen.
Ken Katzenstein, grau im Gesicht, schleppend der Schritt, gebeugt das Haupt, ein geschlagener Mann.
Di Grey, noch bleicher als gewöhnlich, aber gefaßt und entschlossen, keine Schwäche zu zeigen, sondern seinen Stolz bis zum Ende zu bewahren.
Trimalorius, am ganzen Leib bebend, halb wahnsinnig vor Angst, verzweifelt nach einem Ausweg suchend.
Und Flaming Bess … Ihre Haltung, ihr Gang, ihr schönes, kühles Gesicht, alles drückt eiserne Beherrschung aus, den unbeugsamen Willen, bis zum letzten Atemzug den Kampf fortzusetzen und die Niederlage erst im Tod zu akzeptieren.
Sie blickt sich um, erfaßt in einem Moment die Situation, und dann sieht sie dich an: voll Kummer und Mitleid.
Dein Herz krampft sich zusammen.
Du bist eine Marionette, und Marionetten kennen keine Gefühle.
Trotzdem empfindest du Scham.
Was hast du getan, was hast du nur getan?
Du willst etwas sagen, du willst
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