Flaming Bess 08 - Die elektrischen Ritter
entfernt im Sand, in eine schmutzige Toga gehüllt, einen verwelkten Lorbeerkranz auf dem Kopf, mit düsterem Gesicht. Zu seinen Füßen lag ein kurzer Dreizackspieß.
»Du hättest deinem Gott abschwören sollen«, sagte der Zwerg bekümmert. »Christen sind im alten Rom nicht wohlgelitten. Man füttert die Löwen mit ihnen.«
Das Raubtiergebrüll wiederholte sich.
Ein neuer Fanfarenstoß.
»Wo ist der Blaue Ritter?« fragte Bess, ohne auf die Bemerkung des Zwerges einzugehen.
Der Krumme deutete mit dem Daumen auf eine prächtig geschmückte Tribüne auf der gegenüberliegenden Seite der Arena, die bis auf eine große, bläulich schimmernde Gestalt leer war.
»Und das Dritte Schloß?«
»Der Thron. Es ist im Thron eingebaut, auf dem der Ritter sitzt. Aber das wird dir nicht viel nützen, Christin. Der Blaue wird die Löwen auf dich hetzen, und dieser Dreizack ist alles, was ich dir zu deiner Verteidigung besorgen konnte. Ich muß mich an die Regeln halten.«
Sie sah ihn scharf an. »Was sind das für Regeln? Und wer hat sie aufgestellt?«
»Regeln?« Der Zwerg tat verwirrt. »Wer hat etwas von Regeln gesagt?«
Bess trat drohend auf ihn zu, und die verwachsene Kreatur sprang behende auf und hüpfte davon. »Ich bin doch nur der Krumme! Was weiß der Krumme denn schon?«
Das hungrige Gebrüll eines Löwen ließ ihn erstarren. Bess fuhr herum. Unter der Tribüne des Blauen Ritters hatte sich eine Öffnung gebildet, und aus dem dunklen Rund trotteten nacheinander drei riesige Löwen mit goldgelben Mähnen und seidigem, leicht silbrig glänzendem Fell heraus.
Nur ihre Augen unterschieden sie von wirklichen Löwen.
Ihre Augen waren rotglühend wie die aller Roboter der Ritterwelt.
Die Zuschauer auf den Rängen jubelten. Unwillkürlich fragte sich Flaming Bess, ob es sich wirklich nur um Maschinen handelte, oder ob es auch einige Besatzungsmitglieder der NOVA STAR in diesen nachgebauten römischen Zirkus verschlagen hatte.
Es spielte keine Rolle.
Ihre Leute standen noch immer unter dem Psycho-Bann der Elektrischen Ritter. Sie konnten ihr nicht helfen; im Gegenteil. Das Schicksal ihrer Freunde hing davon ab, daß Bess die Ritter besiegte. Erst wenn sie alle Schlösser gefunden und das Tor zur Erde geöffnet hatte, würde der Bann weichen. Wenn sie versagte …
Sie lächelte dünn.
Nein, sie würde nicht versagen. Es waren mehr als dieses halbe Dutzend uralter, verrosteter Roboter erforderlich, um sie aufzuhalten. Sie würde siegen und zur Erde gelangen. Sie würde es schaffen. Weil sie keine andere Wahl hatte. Weil es nicht allein um ihr Leben und das der fünftausend Flüchtlinge von der NOVA STAR, sondern um das Schicksal der versklavten Völker des Sternenbundes ging.
Sie ließ den Überlebenstornister von den Schultern gleiten, hob den Dreizackspieß auf und gab dem Krummen einen kurzen Wink.
»Kümmere du dich um die Tafeln«, sagte sie hart. »Ich verlasse mich auf dich.«
Die Löwen kamen langsam näher.
Der Zwerg eilte wieselflink zu dem Tornister, äugte hinein, wackelte zufrieden mit dem Kopf und hockte sich dann daneben in den Sand.
»He, Christin«, krähte er, »du solltest noch wissen, daß du den Löwen entgehen kannst, wenn du deinem Gott abschwörst.«
»Gehört das auch zu den Regeln?«
Er grinste. »Könnte sein.«
»Und wie sieht dieses Abschwören in der Praxis aus?«
»Du brauchst dem Blauen nur die Schatulle mit den, hm, heiligen Insignien deines Gottes zu geben.«
»So etwas dachte ich mir schon. Natürlich ist die Antwort: Nein.«
»Natürlich«, grinste der Krumme.
Den Dreizack stoßbereit in der Hand, ging Flaming Bess den Löwen entgegen. Sie mußte sie in die Enge treiben und den Kampf so rasch wie möglich entscheiden. Die Auseinandersetzung mit dem Schwarzen und dem Goldenen Ritter hatte sie viel Kraft gekostet, und sie hatte noch drei weitere Kämpfe vor sich.
Sie kniff die Augen zusammen und sah zur Tribüne hinauf. Die Sonne blendete sie, aber trotzdem schien es ihr, als beugte sich der Blaue Ritter neugierig nach vorn.
Neugierig …
Maschinen kannten keine Neugierde. Oder doch? Sie wußte nicht, wie komplex die für kreatives Denken verantwortlichen Biochips der Ritter waren. Vielleicht besaßen sie doch so etwas wie menschliche Gefühle und Wünsche.
Einer der Löwen riß grollend das Maul auf und setzte zum Sprung an, schnellte weit durch die Luft und landete nur zwei Schritte von Bess entfernt im Sand. Sie stieß mit dem Dreizack zu, und fauchend wich
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