Flaming Bess 09 - Die Erde
Fluchtreflex.«
»Flucht ist nur ein anderes Wort für Leben.« Di Grey lächelte wie ein hungriger Haifisch. »Man muß nur bis zum Ende durchhalten, dann hat man es geschafft.«
»Man schon«, sagte Glory Moon. »Aber was ist mit frau? Kann es sein, daß frau ihr Ziel erreicht hat, wenn man am Ende ist?«
»Wenn man am Ende ist, dann ist mensch am Anfang. Wäre das nicht ein guter Kompromiß?«, fragte Bess.
»Nein«, knurrte Ken Katzenstein. »Jedenfalls bin ich froh, daß Fortunato nicht hier ist. Eure fragwürdigen Thesen würden den Jungen nur verwirren.«
Das Summen des Interkoms hinderte Flaming Bess an einer treffenden Antwort. Sie ging auf Empfang. Einer der Bildschirme an ihrem Kontrollpult wurde hell, und Muller McLaskys aufgedunsenes, gerötetes Gesicht erschien. Seine froschartig hervortretenden Augen waren wie stets vom Alkohol getrübt.
»Was gibt es, Muller?«, fragte Bess.
»Ich muß Sie sprechen«, sagte der SD-Chef. »Sofort. In einer Angelegenheit von allerhöchster Wichtigkeit.«
»Ich höre.« Bess unterdrückte einen Seufzer. Sie kannte diesen Tonfall.
Zweifellos war McLasky wie der einer Verschwörung auf der Spur. Wahrscheinlich gab es an Bord der NOVA STAR keinen einzigen Menschen, der von McLasky noch nicht als herculeanischer Agent verdächtigt worden war. Aber trotz seiner leichten Paranoia und seiner Alkoholprobleme war der kleine, dicke Mann die ideale Besetzung für den Posten des SD-Chefs — vielleicht, weil er sogar sich selbst mißtraute. Außerdem war er loyal.
McLasky schüttelte den Kopf. »Nicht über Interkom. Ich muß Sie persönlich sprechen. Unter vier Augen.«
Flaming Bess zögerte. Der Maschinencheck war fast beendet und ihre Anwesenheit in der Zentrale im Grunde nicht erforderlich, aber in einer knappen Stunde begann in der Messe des l. OD die Bordversammlung, und sie hatte die Zeit eigentlich nutzen wollen, um sich auf ihre Ansprache an die Flüchtlinge vorzubereiten. Doch plötzlich hatte sie das Gefühl, daß es sich um mehr als nur um eins von McLaskys Hirngespinsten handelte. Irgend etwas war geschehen, etwas Bedrohliches.
»In Ordnung«, nickte sie. »Ich erwarte Sie in der Orangerie.«
Der SD-Chef war sichtlich erleichtert. »Ich bin schon unterwegs.«
Der Bildschirm wurde grau. Bess blieb noch einige Sekunden lang nachdenklich sitzen. Rührte daher ihre Unruhe? Hatte sie eine Vorahnung drohenden Unheils gehabt? Aber was konnte ihr oder dem Schiff gefährlich werden? Nach dem Tod von Kriegsherr Krom und Ka hatten die Herculeaner die Spur der NOVA STAR verloren. Die Informationspolle mit den Positionsdaten der Ritterwelt mußte durch Kas Strahlschuß vernichtet worden sein, oder im System wären schon längst herculeanische Kriegsschiffe aufgetaucht. Und an Bord selbst gab es keine ernsthaften Gegner mehr. Der Kult der Letzten Tage war zerschlagen, Mahmed für alle Zeiten in der Schattenwelt verschollen, und seit Admiral Clusters Selbstmord hatten sich auch die an der Meuterei beteiligten Flottenoffiziere loyal verhalten. Außerdem stand mit Calvin Kospodin ein absolut vertrauenswürdiger Mann an der Spitze der Raumsoldaten.
Blieben nur noch Lady Gondelor und Vordermann Frust … Doch Frust hatte sich in der letzten Zeit untadelig verhalten, und Gondelor besaß unter den Flüchtlingen so gut wie keine Anhänger.
»Probleme?« Ken Katzenstein war lautlos an ihr Pult getreten und lächelte ihr aufmunternd zu. »Du machst ein Gesicht, als hättest du soeben Krom gesehen … «
Bess stand auf. »McLasky will mich sprechen. Es scheint etwas passiert zu sein. Übernimmst du solange?«
Der schwarzhaarige Bordingenieur sah sie besorgt an. »Natürlich. Hat McLasky gesagt, um was es geht?«
»Nein. Offenbar befürchtet er, daß der Interkom abgehört wird.«
»Typisch Muller McLasky. In jedem Schrank sieht er Spione lauern. Der Mann ist verrückt. Ich gehe jede Wette ein, daß er wieder irgendeine Wahnidee ausgebrütet hat. Fortunato sollte ihm seinen neurotischen Werkzeugcontainer schenken — McLasky und die Kiste wären ein hervorragendes Team. Wahnwitz hoch zwei.«
Bess wandte sich ab und verließ die Zentrale. Im Kabinengang begegnete ihr Fortunato Stengel; der junge Servotechniker wirkte deprimiert.
»Was macht die Kiste, Fortunato?«, fragte Bess. »Hat Goldberg sie reparieren können?«
Stengel wurde rot und senkte schüchtern den Kopf. Bess verbarg ihre Belustigung; natürlich wußte sie, daß Stengel bis über beide Ohren in sie verliebt
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