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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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rostigen Blechdach, und stand im Hang am Steilufer über dem Fluß, so daß die geschlossene Veranda von Stelzen gestützt werden mußte. Das Haus war umgeben von Eichen, und die Wipfel der Weidenbäume auf der flachen Uferseite waren von der Veranda aus auf Augenhöhe. Es regnete immer noch, und der Wind, der vom Meer landeinwärts blies, wehte feinen Nebel aus den Bäumen, der sich im Windschutz verfing.
    Aber im Inneren der Hütte war es warm und gemütlich. Sie war mit knorrigem Pinienholz getäfelt, hellgelbes Linoleum bedeckte den Boden. In der Küche stand ein Butangasherd, ein Mikrowellenherd und ein großer Kühlschrank mit zwei Türen. Auf der hinteren Veranda, die zur Zufahrtsstraße führte, stand eine Gefriertruhe, die bis oben hin mit Enten, Steaks und Eiskrem gefüllt war.
    Tony und Paul saßen am Küchentisch und banden Köder und Bleigewichte und Schwimmer aus Balsaholz an Angelruten, die speziell für das Fischen im Meer bestimmt waren. Jess und die vier Leibwächter, die uns im Cadillac gefolgt waren, waren vorne, wo sie an einem einfachen Holztisch bourré spielten und Bier aus Dosen tranken. Wenn man sie sich näher ansah, waren sie ein seltsamer Haufen. Sie vereinigten in sich all die Gegensätze, die die generationsbedingten Veränderungen in der Mafia mit sich gebracht hatten.
    Jess Ornella war das, was in der Mafia früher Soldat genannt wurde. Er hatte die Statur eines Dockarbeiters und sah aus, als wäre er strohdumm, was vermutlich zutraf. Tony hatte gesagt, daß Jess sein ganzes Leben lang immer Probleme gehabt hatte – mit Nonnen und Mönchen, der Schulbehörde, den Cops, Sozialarbeitern, Bewährungshelfern, Vermietern, Gefängniswärtern, der Musterungsbehörde, Geldeintreibern, Ehefrauen und Gefängnispsychiatern (einer hatte empfohlen, ihn einer Lobotomie zu unterziehen). Im Bezirksgefängnis des Orleans Parish hatte er wegen Scheckbetrugs und Bigamie gesessen, und weil er ein Restaurant angezündet hatte, in dem man sich geweigert hatte, ihn zu bedienen. In Angola hatte man ihn zu den »Big Stripes« gezählt, wie man die nannte, die für gefährlich oder unverbesserlich gehalten wurden und die für gewöhnlich in Einzelhaft in einem gesonderten Block gehalten wurden. Auf mich machte er immer den Eindruck, als könne er ein Haus zum Einsturz bringen, indem er einfach die Mauern einrannte.
    Aber die übrigen waren von einer gänzlich anderen Kategorie: jung und flink, das ganze Jahr über gleichmäßig sonnengebräunt, um den Hals Goldkettchen mit Heiligenbildern, um die Handgelenke dicke Goldarmbänder. In ihren Augen stand Hunger und Gier. Man merkte, daß sie auf etwas aus waren, aber man wußte nicht genau, worauf – genauso, wie man im Zoo in die Augen eines Raubtiers blickt und dort einen atavistischen Instinkt aufblitzen sieht, der einen unwillkürlich einen Schritt nach hinten machen läßt. Sie faßten sich immer wieder an die flachen, durchtrainierten Bäuche, an die sauber ondulierte Frisur im Nacken, das goldene Uhrenarmband am Handgelenk; das Rauchen einer Zigarette stilisierten sie zu einer regelrechten Kunst. Sie lächelten nur selten, außer in Gegenwart von Frauen, die sie gerade eben erst kennengelernt hatten, und sie redeten ohne Unterlaß von Geld, sei es nun, wieviel sie gerade verdient hatten, oder verdienen würden, oder jemand anderes verdient hatte. Wie Frauen legten sie bei der Kleidung das Augenmerk darauf, beim eigenen Geschlecht Eindruck zu schinden, aber im Normalfall beschränkten sich ihre Loyalitäten auf ein großspurig herausgekehrtes sentimentales Verhältnis zu den Eltern, die sie in Wirklichkeit selten besuchten.
    Jess akzeptierte mich, weil Tony mich ins Haus geholt hatte. Genauso würde er es vermutlich ohne Murren hinnehmen, wenn Tony neue Gartenmöbel kaufte. Aber die anderen sprachen nur dann mit mir, wenn sie direkt gefragt wurden. Jess sah, wie ich ihnen mit einer Tasse Kaffee in der Hand beim Kartenspielen zusah.
    »Wollen Sie mitmachen?« fragte er und wollte seinen Stuhl zur Seite rücken.
    Aber die Männer links und rechts von ihm rührten sich nicht vom Fleck. Der eine von ihnen hatte die Karten in der offenen Hand und ein Streichholz im Mund.
    »Wir sind grad mittendrin. Warten Sie, bis wir mit dem Pott hier fertig sind«, sagte er. Dabei blieben seine Augen die ganze Zeit über auf das Spiel gerichtet.
    »Schon okay. Ich lasse ohnehin zuviel Geld auf der Rennbahn«, sagte ich.
    Niemand sah auf oder zeigte sonst eine Reaktion, daß

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