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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Mouton ist und seine bloße Erwähnung einen zurück ins Jahr 1957 versetzt, in den besten Sommer, den man je hatte. Es war nach meinem letzten Jahr am Southwestern Louisiana Institute. Mein Bruder und ich hatten den ganzen Sommer auf einer Bohrinsel geschuftet, um von dem Geld ein kanariengelbes 1946er Ford Cabriolet zu kaufen, das wir mit Politur einrieben, bis es wie weiche Butter glänzte. Bei einem abendlichen Tanzfest draußen beim Spanish Lake sah ich sie. Sie stand alleine unter den Eichen dicht beim Wasser. Das Licht japanischer Lampions flackerte auf ihrem honigfarbenen Haar. Ihre Haut hatte die Farbe von Oliven, und ihre Stirn glänzte feucht. Sie trug ein lavendelfarbenes Kleid, an das sie über dem Busen weiße Blumen gesteckt hatte. Immer wieder hob sie im warmen Abendwind, der vom Wasser her wehte, die Haare vom Hals und zupfte mit dem Daumen an den Trägern ihres Kleides.
    »Willst du mit mir tanzen?« sagte ich.
    »Ich kann nicht. Ich habe mir einen Sonnenbrand geholt. Wir waren heute Krabben fischen in Cypremort Point.«
    »Möchtest du vielleicht einen Drink, ein Bier oder eine Coke oder so was?«
    »Jemand holt mir gerade einen.«
    »Wer?«
    »Der Junge, mit dem ich gekommen bin.«
    »Und wer ist das?«
    Sie blickte mich fragend an. Ihre Augen waren dunkel, ihr Mund ein wenig geöffnet. Das Rot ihres Lippenstifts hob sich von den Schatten ab.
    »Ein Junge aus Lake Charles«, sagte sie.
    »Ich seh hier niemand aus Lake Charles. Was trinkst du denn gerne?«
    »Einen Wodka Collins.«
    »Geh nicht weg. Ich bin gleich wieder da«, sagte ich.
    Sie lebte draußen am See in der Nähe einer kleinen Stadt namens Burke, deren Anwohnerschaft vorwiegend aus schwarzen Pächtern bestand. Ich sagte ihr, daß ich zu ihrem Haus herauskommen wolle, noch in derselben Nacht, wenn ihr Begleiter sie abgesetzt hätte. Ich ließ nicht ab, war aggressiv, gar grob, aber das war mir egal. Sie war das schönste Mädchen, das mir je unter die Augen gekommen war. Schließlich hatte ihr Begleiter die Schnauze voll und zog sauer mit einer anderen Gruppe ab, die zu Slick’s Club in St. Martinville wollte. Ich brachte sie heim. Wir fuhren über die geteerte Straße zwischen den Zuckerrohrfeldern. Der Duft von Jasmin und Magnolien und blühenden Hyazinthen hing schwer in der Luft, und vor dem Mond, der über dem See stand, zeichneten sich scharf die Konturen von moosüberwucherten Eichen und Zypressen ab.
    Zwei Wochen später verloren wir beide unsere Jungfräulichkeit. Einzelne Details von diesem ersten Mal prägen sich einem immer unauslöschlich ein, zumindest wenn es mit jemandem war, der einem viel bedeutet hat. Ich erinnere mich noch genau, wie warm es an dem Abend war, an das verwaschene Blaßlila des Himmels, wie das Regenwasser von den Zypressen auf die spiegelglatte Oberfläche des Sees tröpfelte, an die tiefroten Wolkenbänke im Westen, die durch die Ritzen in der Wand des Bootshauses wie Feuer leuchteten. Aber vor allem ein Bild wird mir niemals mehr aus dem Kopf gehen: ihr Gesichtsausdruck in jenem letzten, bittersüßen Augenblick. Ihre Augen waren geschlossen, die Lippen ein wenig geöffnet, ohne daß sie einen Laut von sich gab, und dann sah sie mir in die Augen wie eine aufgehende Blume und legte die Hände sanft um mein Gesicht, wie man es bei einem Kind tut.
    Es hätte nie enden sollen. Aber genau das tat es, und aus keinem Grund, den ich ihr je hätte erklären können. Auch gegenüber meinem Vater, einem Priester, dem ich vertraute, oder mir selbst fand ich keine Worte dafür. Obwohl ich gerade mal zwanzig Jahre alt war, hatte ich immer öfter quälende periodische Anfälle von Depressionen und Schuldgefühlen, die keinen ersichtlichen Grund oder Ursprung zu haben schienen. Wenn mich diese Anfälle überkamen, war es, als sei die Sonne auf einmal zu schwarzer Asche verbrannt und zum letzten Mal hinter dem Rand der Erde verschwunden. Ich verletzte ihre Gefühle, stieß sie weg von mir, reagierte weder auf ihre Telefonanrufe noch auf einen schmerzlichen Brief, den sie in unsere Fliegengittertür steckte und in dem sie sich selbst alle Schuld gab. Selbst jetzt fällt es mir schwer, mein Verhalten hinreichend zu erklären. Irgendwie hatte ich das vage Gefühl, daß ich tief in meinem Inneren schlecht war und daß jeder Mensch, der mich überhaupt lieben konnte, den wahren Kern meiner Persönlichkeit nicht erkannt hatte, und daß ich schließlich, wie durch Ansteckung, auch diesen Menschen verderben würde.
    Man

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