Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Schiffsschraube. Das Riedgras, das uns zu beiden Seiten großflächig umgab, bog sich im Regen.
Ray Fontenot und Lionel Comeaux trugen beide gelbe Wettermäntel mit Kapuzen und saßen vornübergebeugt auf Stühlen neben meinem kleinen Butanöfchen, auf dem eine Kanne Kaffee stand. Es war kalt geworden, und ihre Gesichter waren mißmutig und gereizt. Als wir offenes Gewässer erreichten, drehte ich auf und fühlte, wie der Motor sich ins Zeug legte und sich der Bug über die Wellen hob. Die Küste hinter uns wurde zuerst grau und verschwommen und verschwand dann ganz. In weiter Entfernung sah ich die Gasflamme, die auf einer Bohrinsel im Meer brannte.
»Machen Sie die Scheinwerfer aus«, sagte Lionel.
»Da vorne ist eine Nebelbank.«
»Ist mir egal. Machen Sie die Lichter aus.«
»Hören Sie, wenn Sie sich Sorgen wegen der Küstenwache machen, die überwacht den Verkehr zur See über Radar. Man wird nicht unsichtbar, nur weil man die Lichter ausmacht.«
Er stand von seinem Stuhl auf, ging zum Instrumentenbord und drückte die beiden Kippschalter, mit denen man die roten und grünen Markierungslichter an Heck und Bug ein- und ausschaltete. Ich drehte den Gashebel auf Null und schaltete den Motor ab. Auf einmal hörte man nichts mehr außer dem Regen, der gegen das Dach und die Scheiben schlug. Das Kabelboot trieb zunächst zwischen zwei Wellen, schaukelte dann quer über eine schwarze Welle; die Kaffeekanne fiel krachend zu Boden.
»An Bord eines Schiffes gelten bestimmte Regeln, Partner. Auf einem Boot gibt es nur einen Kapitän«, sagte ich. »Sie haben ihn vor sich. Wenn Ihnen das nicht paßt, können wir hier gleich umkehren.«
»Wir haben diese Fahrt schon ein dutzendmal gemacht. Man macht das so unauffällig wie möglich«, sagte Lionel.
»Was ist bloß mit Ihnen los?« sagte ich. »Wenn man etwas so Blödes tut, wie ohne Lichter zu fahren, fällt man garantiert auf.«
»Sie sind das erste Mal dabei. Ich versuche nur, Ihnen behilflich zu sein.«
»Also, Fontenot?«
»Viel Lärm um nichts«, sagte er von seinem Stuhl. »Laß ihm doch seine Lichter, Lionel.«
Ich drückte auf den Starter und drehte das Gas wieder auf. Wir kreuzten eine Welle, daß uns die Gischt um die Ohren flog, und schipperten dann wieder ruhiger durch ein langes Wellental. Das Wasser war schwarz und wogte, Regentropfen hämmerten unablässig darauf. Dann verschluckte die Nebelbank erst den Bug, dann das Steuerhaus. Der Nebel war auf der Haut so kalt und feucht wie ein grauer, nasser Handschuh.
»Was bringt Tony dieser Deal?« fragte ich Ray Fontenot.
»Was meinen Sie damit?«
»Ich kaufe, ich bekomme die Ware. Wo liegt da der Profit für ihn?«
»Er kriegt seinen Teil von den Kolumbianern. Da kriegt bis nach Bogotá jeder ein Stück vom Kuchen.«
»Wo liegt da Ihr Anteil?«
»Wir betrachten das als reine Gefälligkeit.«
»Im Ernst?« sagte ich.
»Wir mögen Sie eben.« Er lächelte unter seiner gelben Kapuze.
Lionel rieb mit der Hand an der beschlagenen Scheibe.
»Da ist es«, sagte er.
Ein Fischerboot mit erleuchtetem Steuerhaus erhob sich auf einer Woge, um dann wieder in einem tiefen Wellental zu verschwinden.
»Wie machen wir die Übergabe?« sagte ich.
»Ich bringe das Geld auf deren Boot und komme mit der Ware zurück«, sagte Lionel.
»Warum? Sind die schüchtern?« sagte ich.
»Glauben Sie mir, die wollen Sie nicht kennenlernen«, sagte Fontenot. »Sie sind nicht gerade liebenswürdig, unsere Freunde mit dem Knoblauchgeruch. Allerdings scheinen sie an Lionel einen Narren gefressen zu haben. Die dunkelhäutige Frau, die für sie kocht, ist ganz verrückt nach ihm. Lionel hat eine richtige Glückssträhne bei den Pferderennen, seit er sie kennengelernt hat.«
»Du solltest ihn öfter mal reinstecken, Ray. Dann würdest du nicht immer solche Scheiße reden«, sagte Lionel.
Ich sah das Fischerboot wieder auf den Wogen auftauchen. Der weiße Anstrich blätterte ab, das Speigatt war total verrostet. Lionel hatte den Wettermantel ausgezogen und schlüpfte in eine Schwimmweste.
»Ich hoffe, Sie wissen es zu schätzen, was Lionel Ihretwegen alles auf sich nimmt«, sagte Fontenot.
»Vergessen Sie’s. Kommen Sie so nah an die Reifen ran, wie Sie können, und halten das Boot da, bis ich auf der Leiter bin«, sagte Lionel.
Er band die Schwimmweste unter seinem Kinn zu, dann band er sich den Aluminiumkoffer mit dem Geld mit einem Seil quer vor die Brust.
»Wenn ich ins Wasser falle, sind Sie Ihre halbe Million
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