Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
war gerade aus dem Armeekrankenhaus entlassen worden und brauchte einen Stock zum Laufen. Das war im Jahr 1965, und der Krieg kam gerade erst richtig in Fahrt. Es war ein seltsames Gefühl, alleine zum Tanzen zu gehen und dort entdecken zu müssen, daß ich in mehr als einer Hinsicht allein war, daß ich bereits zum alten Eisen gehörte. Schuld daran war ein Krieg, der in einem schwammigen Abschnitt neokolonialistischer Geographie auf andere junge Männer wartete, deren französische Namen die von Mitgliedern der Fremdenlegion hätten sein können.
Dann sah ich sie durch Topfpalmen und Marmorsäulen hindurch. Sie trug ein rosa Organdykleid und tanzte auf Strümpfen mit ihm. Die Champagnerbowle hatte ihr Gesicht gerötet, und feuchte Haarsträhnen klebten ihr wie Honigschlieren auf der Haut. Sie gingen zu dem Tisch mit der Bowle, wo ich stand, und ich sah, wie sie mich allmählich in ihr Blickfeld bekam, als sei ich gänzlich unerwartet aus einem Bus mitten in ihr Leben gestiegen. Dann merkte ich, daß sie betrunken war.
Sie blies sich Luft ins Gesicht, um das Haar aus den Augen zu bekommen.
»Na, so was!« sagte sie.
»Hallo, Boots«, sagte ich.
»Na, so was!« wiederholte sie und blies sich noch mal das Haar aus den Augen. »John, das ist Dave Robicheaux. Allem Anschein nach ist er zurückgekommen, um New Iberia einen Besuch abzustatten. Ist das nicht großartig? Vielleicht kann er ja zu unserer Hochzeit kommen.«
Er lächelte mit seinen weißen Zähnen, als er meine Hand schüttelte. Seine Augen wanderten zwischen uns beiden hin und her, und ich konnte sehen, daß es ihm dämmerte.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Dave. Die Hochzeit findet am Sonntag in der St. Peter’s Church statt«, sagte er. »Bitte kommen Sie doch, wenn Sie möchten.«
»Vielen Dank«, sagte ich. Und ich räusperte mich, damit sie nicht sahen, wie schwer ich schluckte.
Bootsie schnaubte immer noch Luft in ihr Gesicht, und das Funkeln in ihren Augen wurde stärker, als komme ein Generator in ihrem Inneren auf Touren.
»Ich hätte dir sagen können, daß ich schwanger bin. Das hätte dich umgehauen, oder?« sagte sie.
»Was?« Ich fühlte, wie mir der Mund runterklappte, denn zu dieser Zeit war es in New Iberia undenkbar, in aller Öffentlichkeit so zu reden.
»Aber das hätte dir das Leben regelrecht versaut«, sagte sie. »Du wärst als Familienvater mit Kindern geendet und hättest nicht in den Krieg ziehen können, um nach deiner Heimkehr mit einem Stock dazustehen wie ein Charakter aus einem Roman von F. Scott Fitzgerald. Die Pose ist perfekt, Dave. Du siehst so völlig traurig und verletzt aus. Das würden wir dir um nichts in der Welt nehmen wollen.«
»Ich finde, jetzt führst du dich ziemlich mies auf«, sagte ich.
»Jetzt reicht’s aber«, sagte ihr Verlobter.
»Nein, mies ist, wenn man ihn ohne Gummi reinsteckt, weil man jemand verspricht, daß man sie heiraten wird, und sie dann sitzenläßt wie jemand, der einem gestern im Auto einen runtergeholt hat.«
Die Band hatte aufgehört zu spielen, und ihre Worte drangen bis an den Rand der Tanzfläche. Menschen starrten herüber zu uns, das Lächeln auf ihren Gesichtern plötzlich zu Eis erstarrt.
Bootsies Augen waren feucht und glänzend, und Schweißperlen standen auf ihrer Oberlippe. In der beklemmenden Stille spürte ich, wie sich meine Gesichtshaut anspannte und gegen den Knochen drückte.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, steckte in meiner Fliegengittertür ein Umschlag mit einem Brief darin. Darin stand:
Ich habe heute morgen einen Kater, daß mir ganz schlecht und zittrig ist. Ich schätze, das habe ich verdient. Es tut mir leid, was ich gestern abend zu Dir sagte. Ich sollte mich bei Dir nicht entschuldigen, aber ich tue es trotzdem. Aber sag mir eins, Dave, bitte bitte bitte sag mir, warum hast Du mich von Dir gestoßen, warum mußtest Du alles ruinieren, was wir in diesem Sommer gemeinsam gehabt hatten, im Namen Gottes, sag mir, warum, Dave.
In Liebe, Bootsie.
PS: Wenn ich es mir genauer überlege, ist es wahrscheinlich besser, wenn Du auf diesen Brief nicht antwortest. Ich werde John heiraten, und was vergangen ist, ist vergangen, stimmt’s? Wenn ich mir das oft genug sage, wird es schließlich so sein. Ich wünsche Dir ein gutes Leben. Das meine ich aufrichtig, obwohl ich finde, daß Du Dich wie ein Dreckskerl benommen hast.
Aber wie sie gesagt hatte, was vergangen war, war vergangen, und nach dem Abendessen spülten wir ab, räumten das Geschirr
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