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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Wunder
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Bereich vorgewagt, der Cam wahrscheinlich für immer verschlossen bleiben würde. Es war, als würde Cam plötzlich die schüchterne Sandra Dee gegenüber Lilys frecher Rizzo aus Grease spielen, und sie konnte diese blöde Songzeile »lousy with virginity«, sich beschissen fühlen mit seiner Jungfräulichkeit, nicht aus dem Kopf bekommen. Sie spürte, wie sich ein Graben zwischen ihnen auftat und immer breiter wurde. Ein Riss quer durch ihr Herz.
    »Übrigens, Kaitlin hat eine Halsentzündung, deshalb lädt Ryan uns für morgen zu einem Picknick ein. Dann wirst du ihn kennen lernen«, sagte Lily.
    »Na super. Und was soll ich machen, während ihr zwei euch in den Wald verdrückt?«
    »Also, Ryan hat einen Freund, Andrew.«
    »Ach du lieber Gott, Lily, bloß nicht!«
    »Ach du liebe Güte , Campbell, doch!«
    »Dir ist klar, dass ich den Krankheitstrumpf ausspielen kann, oder? Mir geht’s wirklich scheiße.«
    »Vertrau mir«, bat Lily.
    »Na schön«, sagte Cam. Wäre sie doch nur darauf gekommen, »katastrophales Blinddate« auf ihre Flamingoliste zu setzen; den Punkt könnte sie nun leicht abhaken.
    »Es gibt da etwas, was ich gern tun möchte.« Lily stand auf und stellte sich hinter Cam. Cam dachte, sie würde nach weiteren Feuerwerkskörpern suchen oder so, doch noch ehe sie sich umdrehen konnte, murmelte Lily ganz schnell »ImNamendesVatersunddesSohnesunddesHeiligenGeistestaufeichdichCampbellMariaCooper« und schubste Cam vom Steg.
    Cam brauchte einen Augenblick, um zu kapieren, was da gerade passiert war. Um die einzelnen synaptischen Reize zu einem Ganzen zusammenzusetzen, die Punkte durch Linien zu verbinden und zu verstehen: ein Schubser, fallen, nass, kalt, platsch, erstickter Schrei, unter Wasser, See! Sie ließ sich für ein paar Sekunden in dem stillen Grün treiben. Eine weiche Alge kitzelte sie am Fuß, und sie tauchte auf.
    Das Wasser war so sauber und erfrischend, dass sie noch einmal freiwillig untertauchte, ehe sie nach der weißen Plastikleiter an dem Holzsteg griff und sich hochzog.
    Lily lugte verschmitzt über den Rand. Hatte dieses großartige Funkeln in den Augen, wie immer, wenn sie einen harmlosen Streich ausheckte. So wie damals im Krankenhaus, als sie den Putzschrank plünderte, große weiße Müllsäcke klaute, Toilettenpapier um ihre Köpfe wickelte und Cam dazu brachte, mit ihr in der Halloweenparade als »weißer Abschaum« zu marschieren.
    »Entschuldige«, sagte Cam und spuckte Wasser aus, »aber hast du mich gerade zufällig getauft?« Cams Eltern waren Agnostiker gewesen, ihre Mutter war es noch, und hielten nichts von religiösen Ritualen, mit denen manche Menschen sich zu etwas Besserem machten als andere. Wie sollte es jemandem helfen, in den Himmel zu kommen, indem man ihm Wasser über den Kopf goss?
    »Irgendwie ja«, sagte Lily.
    »Spinnst du? Man kann doch nicht einfach jemanden gegen seinen Willen taufen.«
    »Wird mit Babys doch dauernd gemacht.«
    »Ich bin aber kein Baby. Los, hilf mir rauf.« Lily streckte die Hand aus, und Cam zog mit einem Ruck daran, sodass Lily kopfüber ins Wasser plumpste.
    »Ich glaub’s nicht, dass du darauf hereingefallen bist«, sagte Cam, als Lily wieder auftauchte. »Das ist doch der älteste Trick der Welt.«
    »Ich hab’s verdient«, sagte Lily, mühsam paddelnd. Ihre nassen Kleider zogen ihre mageren Körper nach unten, sodass es ihr schwerfiel, sich über Wasser zu halten. Cam reichte ihr die Hand und half ihr zur Leiter. Sie war so leicht.
    »Allerdings. Wie kann ich mich wieder enttaufen?«
    »Sündigen. Wie verrückt.«
    »Darin scheinst du besser zu sein als ich. Ich bin hier die Unschuldige.«
    »Abgesehen von der Klauerei.«
    »Stimmt, das wird langsam zu einer schlechten Angewohnheit.«
    Der Mond schien auf Lily, als wäre er ihr persönliches Spotlight. Seine Strahlen tanzten hinter ihr auf den kleinen Wellen des Sees.
    »Du glaubst doch nicht wirklich, dass es etwas nützt, oder?«
    »Ich weiß nicht. Hast du Jesus gefunden?«, fragte Lily.
    »Wo denn? Ist er hier unten?«, witzelte Cam und steckte den Kopf unter den Steg.
    »Sehr komisch. Ich dachte halt, sicher ist sicher.«
    »Hm. Na, vielen Dank.« Cam wollte sauer sein, doch dann kam sie zu dem Schluss, dass es ihr egal sein konnte, ob sie es war oder nicht. Also, getauft. Ihre katholische Großmutter würde sich freuen. Und im Grunde war es süß von Lily. Es war ihre Art, sie mit einzubeziehen, sie an ihrem neuen Leben mit Christus und Ryan teilhaben zu lassen.
    Cam

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