Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Wunder
Vom Netzwerk:
stieg aus dem Wasser und wickelte sich in das große Strandhandtuch. Fröstelnd sammelten sie die Coladosen, den Aschenbecher und die Zigaretten ein. Das Haus schien sie mit seinem Gesicht aus gelb erleuchteten Fenstern anzulächeln.
    »Jedenfalls bist du jetzt gerettet«, sagte Lily. Sie hakte sich mit ihrem knochigen Arm bei Cam unter, als sie Seite an Seite den Hang hinauf zum Haus gingen.

A CHT
    Es war gar nicht so schlecht, in einem komfortablen Kataloghaus zu wohnen. Am nächsten Tag, nachdem Cam mit sieben Daunenkissen in verschiedenen Formen und Größen und passend bezogener Decke in einem optimal auf zweiundzwanzig Grad klimatisierten Zimmer geschlafen hatte, erwachte sie energiegeladen. Bereit, es mit allem aufzunehmen, was Lily so vorhatte.
    Sie tapste die Treppe aus halben Baumstämmen hinunter, die mit Kunstharz überzogen und in der Mitte mit hellgrünen Teppichfliesen ausgelegt waren. Lilys Mutter Kathy begrüßte sie in der Küche. Sie war aus den Südstaaten, und zwar durch und durch, wie aus Vom Winde verweht . Sie hatte einen künstlichen blonden Bob, künstliche Titten und künstliche Fingernägel.
    »Guden Mooogen, Cäihem«, sagte Kathy. Sie war nicht so doof, wie ihr Akzent klang. Schon komisch, was ein Akzent ausmachte, wie unterbelichtet er jemanden wirken lassen konnte. Cam hatte keinen, weil der ursprüngliche Jersey-Akzent ihrer Mutter von dem Florida-Akzent abgeschwächt worden war und beide sich bei ihr zu einem Nicht-Akzent neutralisiert hatten. »Was möchsen gern zum Frühstick?«
    Cam sah sich in der schicken Küche um, in der es die unvermeidlichen Kirschholzfurnierschränke gab, die Edelstahlküchengeräte, die Arbeitsflächen aus Granit und die riesige Kochinsel in der Mitte zum Schneiden und Hacken. Durch das Fenster über der Spüle sah man auf den morgendlichen See, aus dem Dunstschwaden aufstiegen wie aus einer heißen Tasse Tee. Sie hatten wahrscheinlich alles Erdenkliche fürs Frühstück da, außer dem, was Cam im Moment am liebsten wollte: Lucky Charms, geröstete Haferflocken mit bunten Marshmallowstückchen.
    Alles, solange es nichts mit Ananas ist , dachte sie. Gestern Abend hatte Lilys Mutter ein polynesisches Festmahl aufgetischt – wie es sich ein Caterer aus North Carolina vorstellt –, das ausgesprochen ananaslastig war.
    »Und, ist es authentisch?«, hatte Kathy sich erkundigt.
    »Mich darfst du nicht fragen«, antwortete Alicia. »Ich stamme aus einem Clan von New-Jersey-Italienern.«
    Alle hatten gelacht. Die Familien standen sich nahe, aber es ging immer nur um den Krebs. Er fraß ihr Leben und ihre Gespräche auf. Blutbilder, neue Tests, Durchbrüche, Sym-ptome, Methoden für mehr Energie, mehr Lebensqualität.
    Das Neuroblastom war eine Krebsform, die vor allem bei Babys und Kleinkindern auftrat. Irgendetwas ging schief bei der Entwicklung der Babynervenzellen, bevor sie zu ausgereiften Nervenzellen wurden, sodass sie unkontrolliert wucherten, Tumore um die Leber bildeten und sich dann in die Knochen ausbreiteten oder in die Nieren oder überall. Neunundneunzig Prozent der Fälle traten im Kleinkindalter auf, und die meisten Patienten hatten gute Überlebenschancen, wenn sie es so jung bekamen. Bei Babys waren sogar Spontanheilungen bekannt. Etwas anderes war es, wenn ältere Kinder davon betroffen wurden. Die Chancen standen dann sehr schlecht.
    »Cäihem, ich wollte gern mal kurz mit dir sprechen, Schätzchen«, sagte Kathy und schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein.
    Noch mehr Krebsgerede, dachte Cam. »Habt ihr zufällig Lucky Charms?«, versuchte sie, Kathy abzulenken. »Die wären jetzt genau das Richtige.«
    »Vielleicht, Schätzchen. Sieh mal in der Speisekammer nach.«
    Die begehbare Speisekammer war fast so groß wie die im Disney-Restaurant und mit Regalen über Regalen voller Konserven und Trockenprodukte ausgestattet, alle schön nach Sorten geordnet. Cam sah sich die Reihe mit den Frühstücksflocken an, in der, wie sie erwartet hatte, alles Bio und voller Ballaststoffe war. Kein Wunder, dass Lily so dünn wurde. Sie schnappte sich eine grüne Schachtel mit Öko-Pops vom Regal und ging zurück in die Küche. »Mit dieser Speisekammer könnte man ein ganzes Dorf verköstigen«, bemerkte sie.
    »Ja, ich schätze, wir sollten mal ein paar Sachen zur Armentafel bringen. Hör mal – «
    »Lucky Charms gab es keine«, unterbrach Cam sie, »dafür hab ich das hier gefunden.« Sie schüttelte die Packung. »Vierzig Prozent weniger Zucker und

Weitere Kostenlose Bücher