Flamingos im Schnee
Toilettenschüssel zu würgen.
»Oh, tut mir leid, mein Schatz«, sagte ihre Mom und drückte ihr einen kalten Waschlappen auf die Stirn und in den Nacken. »Und danach geht unser perfekter Tag noch weiter, denn wir gehen ins Kino, und nach dem ersten Film schleichen wir uns heimlich noch in einen zweiten und ergaunern uns ein Doublefeature. Und dann kommen wir nach Hause und schlafen ruhig und traumlos die ganze Nacht durch.«
»Jetzt übertreibst du aber.« Cam hatte seit dem Ausbruch ihrer Krebserkrankung keine Nacht mehr durchgeschlafen.
Der allerschönste Tag wurde anfangs meistens in die Tat umgesetzt. Ihre Mutter riss sich ein Bein aus, um ihre Arbeitszeiten zu verschieben, damit sie mit Cam die Ballonfahrt machen konnte oder was sie ihr sonst am Abend zuvor beschrieben hatte. Doch als Cams Krankheit voranschritt und die Anfälle immer häufiger kamen, wollte sie ihre Mutter nicht mehr darauf festnageln, weil Alicia sich schließlich nicht ständig frei nehmen konnte.
»Okay, mein Kleiner«, sagte Cam, rückte den Welpen zurecht und nahm ein paar Decken weg, weil er sich allmählich zu heiß anfühlte. »Du brauchst einfach etwas, auf das du dich freuen kannst. Hörst du mir zu? Morgen wird dein allerallerschönster Tag, und deshalb musst du durchhalten, weil du den auf keinen Fall verpassen willst.«
Dann beschrieb sie ihm die abertausend schönen Dinge und vor allem Gerüche, die den perfekten Tag eines Welpen ausmachten. Ein Spaziergang durch nasses Gras, Mittagessen am Hinterausgang des Metzgerladens, ein bisschen Rückenschubbern an einem Baum, eine Runde Stöckchenholen, ein Schläfchen in der Sonne, Zerkauen eines Hausschlappens, ein bisschen Tauziehen und eine Autofahrt, bei der er den Kopf zum Fenster hinausstecken konnte.
Es schien ein wenig zu helfen. Bart ruhte etwas entspannter, als Elaine gegen vier nach Hause kam, mit einer Postlerkappe auf dem Kopf, durch deren Riegelloch sie ihren Pferdeschwanz gesteckt hatte. Sie sagte jedoch, sein Zustand sei immer noch sehr kritisch. Cam nahm ihr das Versprechen ab, nichts Übereiltes zu tun, zumindest nicht, ohne sie vorher anzurufen.
»Das hat nichts mit übereilt zu tun, Campbell. Das gehört zur ärztlichen Fürsorge.«
»Tun Sie es nicht, bitte, bitte«, flehte Cam, und als sie mit Tweety nach Hause fuhr, machte sie etwas, das sie zwar nicht beten nennen würde, aber sie versuchte, Bart ganz viel Energie zu schicken. Sie bediente sich der Visualisierungstechnik, die Lily ihr beigebracht hatte, um sich einen gesunden, kräftigen, ausgewachsenen Bart in der nahen Zukunft vorzustellen. Und weil sie schon mal dabei war, stellte sie sich auch eine gesunde Cam vor und dann, ganz zufällig, einen gesunden Asher, der mit nacktem Oberkörper in der Sonne lag.
F ÜNFZEHN
Cam fuhr nicht gleich nach Hause, sondern stellte Cumulus mit Tweety darin auf einem Parkplatz ab und schlenderte an den fröhlichen, rot geklinkerten Schaufensterfronten im Zentrum von Promise vorbei, vor denen Windsäcke und Luftballons tanzten. Sie holte sich einen Kaffee im Café und klaute dann drei Hummermagneten, eine Tüte elchförmige Pasta, Ahornsirup und ein Paar gestreifte, handgestrickte Haussocken aus dem Andenkenladen.
Der Kick des Klauens lenkte sie von Bart und dem Debakel mit Alec ab, aber sie verspürte auch etwas Neues – ein schlechtes Gewissen? –, weil sie kein großes Tier oder die große Maus bestohlen hatte, sondern irgendeine alte Dame, die ihre Abende damit zubrachte, Haussocken vor Der Preis ist heiß zu stricken.
Cam hatte noch nie etwas auf einer kleinstädtischen Einkaufsstraße gestohlen. Einfach deshalb, weil es außer den künstlich angelegten in Disney World keine kleinstädtischen Einkaufsstraßen in Florida gab, und die konkrete Begegnung mit diesen urigen Tante-Emma-Läden und nostalgischen Familienunternehmen, die sich mal gerade so über Wasser hielten, schlug ihr aufs Gewissen. Es fiel schwerer zu stehlen, wenn man wusste, wem man etwas wegnahm.
So schwer war es allerdings auch wieder nicht, denn als vom Bürgersteig draußen jemand »Samoa!« rief, wollte sie gerade einen unwiderstehlichen Topfhandschuh in Form einer Hummerschere in ihre Kuriertasche stecken.
»Das ist nicht gerade politisch korrekt«, bemerkte Cam, als Sunny mit ihrem Katalogfreund im Schlepptau hereinspazierte.
»Politisch korrekt war gestern, Samoa. Wir zeigen nicht mit dem Finger auf dich, weil du anders bist, sondern feiern unsere Verschiedenheit.«
»Hm«, machte
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