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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Wunder
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wiedererlangt hatte, immer noch ihre Hand festhielt.

F ÜNFUNDZWANZIG
    Etwas hatte sich verändert.
    Statt wie sonst seinen täglichen Heimwerkerarbeiten nachzugehen oder Perry ausfindig zu machen und zu einer Partie Schach herauszufordern, bestand Ashers erster Tagesordnungspunkt an diesem Morgen darin, zu Cam hinaufzurufen, ob sie einen Ausflug machen wolle.
    »Wohin?«, rief sie zurück.
    »Nur ein bisschen herumfahren«, lautete die Antwort. »Soweit ich weiß, hast du immer noch nicht die Kavalierstour durch Promise bekommen.«
    Da er sie nicht sehen konnte, führte Cam einen kleinen stummen Freudentanz auf, ehe sie nach unten rief: »Ich weiß nicht. Ich habe heute viel zu tun.« Sie wollte nicht allzu begierig erscheinen.
    »Okay, bis später dann.« Sie hörte sich entfernende Schritte.
    »Warte!«, sagte Cam und stürzte praktisch die Treppe hinunter. Auf halber Höhe sah sie, dass er sich nicht vom Fleck bewegt hatte. Mit verschränkten Armen und einem schiefen Grinsen stand er da und sah zu ihr herauf.
    »Ich habe zurückgeblufft«, sagte er nur.
    »Das merke ich«, entgegnete sie. »Ich bin in fünf Minuten unten.«
    »Alles klar.«
    Asher hatte sieben Sehenswürdigkeiten, die er Cam zeigen wollte, unter anderem den legendären Indianerfriedhof, den einzigen lebenden Mammutbaum an der Ostküste und das Stonehenge von Promise, drei enorme Felsbrocken, die unglaublich wackelig aufeinandergetürmt waren. Dann stöberten sie durch die Comicalben in der alten Buchhandlung des Städtchens. Im Trödel- und Antiquitätenladen kaufte er ihr eine alte Hummerfalle, die flamingorosa angestrichen war.
    »Also, die Frau im Auto«, fand Cam schließlich den Mut zu sagen, als sie auf dem Weg zum Mittagessen waren.
    »Ich dachte, es ist dir egal, was ich in meiner Freizeit mache«, wandte Asher ein. Er saß am Steuer des Jeeps und fuhr auf einem gewundenen Strandweg durch einen Salzwassersumpf, der nach wildem Salbei und Oregano duftete.
    »Das war gestern. Heute ist heute.«
    »Es war nichts.«
    »Ach, irgendwie sah es aber nach etwas aus.«
    »Es ist vorbei, Cam.« Er schluckte schwer und blickte sie aufrichtig an.
    »Gut zu wissen«, bemerkte sie.
    Der Weg endete bei einer weiteren felsigen Halbinsel. Eine kleine Fischerhütte und ein paar Klapptische standen zusammengedrängt auf einer Schieferplatte, die übers Meer hinausragte. Cam aß Fisch mit Pommes und Asher rohe Venusmuscheln. Sie saßen einander gegenüber und taten so, als würden sie nicht merken, dass ihre Füße sich unter dem Tisch berührten.
    »Du hast noch nie Venusmuscheln gegessen, Eselflüsterer, oder?«
    »Ich war noch nie so ausgehungert, dass ich das nötig hatte.«
    »Sie sind aber gut«, sagte er, träufelte Zitrone auf eine Muschel, legte dann den Kopf zurück und schlürfte die schimmernde, pfirsichfarbene Masse hinunter.
    »Ich glaub’s dir auch so.«
    »Komm schon«, lockte er. »Nur eine.«
    »Na gut«, seufzte Cam. »Nur eine.«
    »Ich suche eine kleine für dich heraus.« Er wählte eine perfekte aus und presste Zitronensaft darauf. »Bitte sehr.«
    Sie hielt die Schale vorsichtig zwischen den Fingern. Genial, eigentlich, eine Delikatesse mit eingebautem Teller. Sie machte die Augen zu, legte den Kopf zurück und kaute, was es da zu kauen gab. Es schmeckte gut. Kühl. Nass. Salzig. Und ein bisschen süß.
    Auf der Fahrt nach Hause ließ er seine rechte Hand ruhig auf ihrer Hand liegen. Da fühlte sie es – dieses gänsehautartige Prickeln, das sich den ganzen Arm hinaufzog und das sie schon gespürt hatte, als er ihr neulich nachts den Puls fühlen wollte. Genauso hatte es Lily beschrieben, dieses Gefühl, an dem man erkennt, dass jemand einen liebt.
    Zuhause wollte Cam ihre Hummerfalle ins Souterrain bringen, also ging Asher mit. Sie fand einen guten Platz dafür auf einem Bord neben Homers altem Aquarium. Als sie sich wieder umdrehte, stand Asher nur etwa zwei Zentimeter vor ihr.
    »Du befindest dich in meiner persönlichen Distanzzone«, scherzte sie.
    »Mit Absicht.« Er legte seine Hände um ihre Taille, und die Luft, die sie atmeten, wurde irgendwie dichter und schwerer, als er sich zu ihr hinunterbeugte. Er küsste sie zuerst auf die Stirn und hob dann ihr Kinn an, damit er ihr in die Augen sehen konnte.
    »Ich werde dich jetzt küssen«, sagte er.
    »Kündigst du das immer zuerst an?«
    »Du scheinst mir der Typ zu sein, der kopfscheu werden könnte.«
    »Ich bin ganz ruhig«, erwiderte Cam und strich mit dem Finger sachte

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