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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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zugleich.« Danach war sie erschöpft eingeschlafen. Dass Marie ihr den frisch geborenen und gewaschenen Säugling vorsichtig an die Brust legte, bekam sie gar nicht mehr mit.
    Am 15 . Dezember 1812 hatte Friederike Ulrika das Licht der Welt erblickt. In der kleinen Schlafkammer, die der alte Prohaska für seine Tochter geräumt hatte, nachdem diese zutiefst verletzt und verstört aus Berlin zurückkehrte und bei ihrem Vater Unterschlupf suchte. Er stellte keine Fragen. Wozu?
    Ihre Schwangerschaft war nicht zu übersehen. Über den Vater des Kindes erfuhr man von Eleonora kein Wort. Genauso wenig wie über die Enttäuschungen und Verletzungen, die ihr widerfahren waren. Prohaska hatte seine Vermutungen. Er ahnte vieles, mutmaßte Richtiges, aber er schwieg beharrlich. So wie Vater und Tochter eigentlich immer geschwiegen hatten. Über den Brückenschlag der Sprache zueinanderzufinden blieb ihnen verwehrt. Liebe und Zuneigung vermochte der alte Soldat nur in Taten, nicht mit Worten zu bezeugen.
    Als er jedoch wenige Tage vor der Niederkunft eine selbstgezimmerte Wiege in die Schlafkammer stellte, verlor Eleonora die Fassung. Seit ihrer Flucht unter das Dach der bescheidenen väterlichen Kate riss sie sich eisern zusammen, bemühte sich um einen regelmäßigen Tagesablauf, setzte alles daran, so etwas wie einen normalen Alltag zu leben. Aber der Anblick der Wiege mit dem herzförmigen Kopfteil und den liebevoll gemalten Blümchen darauf war zu viel für sie.
    »Diese Arbeit hättest du dir nicht machen müssen, Vater«, schluchzte Eleonora. »Die ersten Wochen kann das Kind doch bei mir im Bett schlafen. Für später hat mir Marie bereits das alte Kinderbett von Emil versprochen.«
    »Ich habe es gerne getan«, entgegnete ihr Vater kurz angebunden und schlüpfte in seinen abgeschabten Gehrock, ehe er das Haus verließ. Eigentlich war es eine alte Uniformjacke, von der er die Militärabzeichen abgerissen hatte, ehe er sie Marie zum Umschneidern gab. Seit Jahrzehnten trug er diese Jacke nun schon. Sie war mit ihm verwachsen, und nicht zuletzt ihre Abgeschabtheit hatte ihm den Namen der »olle Prohaska« eingetragen. Mit ihr schlurfte er durch Potsdams Straßen, wenn er sich zum Unterricht in die Häuser und Villen seiner Musikschüler begab. In ihr saß er jeden Sonntagvormittag im Gottesdienst und schlug den abgewetzten Kragen hoch, wenn es ihn fröstelte.
    Hätte ihm Marie das alte Kleidungsstück nicht regelmäßig weggenommen, um es zu waschen und zu plätten, hätte er sich wahrscheinlich wochenlang nicht davon getrennt.
    »Das haben wir als Soldaten nicht anders getan«, protestierte er immer, wenn Marie ihm das verschlissene Teil vom Leibe riss.
    »Du bist aber nun mal kein Soldat mehr, sondern schon seit Jahren Invalide. Du musst auf deine Erscheinung achten und kannst nicht mit einer stinkenden, schmutzigen Jacke in den Häusern deiner Musikschüler aufkreuzen«, schimpfte Marie. »Abgewetzt darf sie sein, aber nicht schmutzig. Schließlich gehörte sie ja einmal zu deinem Ehrenkleid der Uniform.«
    Damit hatte die resolute Marie Prohaska an seinem empfindlichsten Nerv getroffen, seinem Patriotismus. Zwar stets murrend, aber widerspruchslos überließ er ihr fortan die geliebte Jacke zur regelmäßigen Reinigung.
    Was wäre nur aus ihm ohne Marie und Heinrich geworden? Die beiden waren nicht nur Nachbarn, sie waren Freunde und standen ihm näher, als ihm seine Familie jemals gestanden hatte. Als unentbehrlich erwies sich Marie dann auch bei der Entbindung der kleinen Friederike Ulrika.
    Seit ihrer Rückkehr in das väterliche Haus hatte sich Eleonora hartnäckig geweigert, einen Arzt zu konsultieren oder auch nur einmal die Hebamme des Dorfs aufzusuchen.
    »Es ist nicht die erste Geburt, die ich erlebe. Bei meinen Herrschaften war ich oft genug dabei, wenn eine Gnädige niederkam. In die Anfangsgründe der Anatomie hat mich schon Gräfin Dorothea auf dem Sophienhof eingeweiht. Ich habe keine Angst, es wird schon gutgehen. Eine Geburt ist etwas ganz Natürliches und vollzieht sich von alleine«, behauptete sie voller Zuversicht und mit vorgegebener Stärke.
    Insgeheim hatte Eleonora Angst, ganz schreckliche Angst. Niemals wäre sie jedoch bereit gewesen, diese nach außen zu zeigen, vermochte sie doch kaum sie sich selbst gegenüber einzugestehen.
    »Was bist du nur für ein Dickkopp«, schimpfte ihr Vater immer wieder mit ihr.
    »Das kann ich nur von dir haben, Vater«, erwiderte Eleonora stets.
    Über der

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