Flamme der Freiheit
und drückte beide Arme auf den Boden. Eleonora wehrte sich mit Händen und Füßen, strampelte, versuchte ihn mit angezogenen Beinen von sich zu stoßen. Aber er war stärker als sie, hielt mit eisernen Fäusten ihre abwehrenden Hände umklammert, beugte sich über sie und versuchte sie zu küssen. Er stank nach Fusel und Tabak. Allein von dem Gestank wurde ihr übel.
Nun hielt er mit der Linken ihre beiden Handgelenke fest und riss ihr mit der Rechten das leichte Nachthemd vom Leib. Nackt und bloß, völlig ungeschützt lag Eleonora unter ihm. Er machte sich an seiner Hose zu schaffen, versuchte sie hinunterzuziehen.
Bisher hatte Eleonora keinen Ton von sich gegeben, nur verbissen gekämpft, gefaucht und gekratzt wie eine wilde Katze. Aber jetzt, als die Bedrohung so unvermeidbar auf sie zukam, stieß sie einen gellenden Schrei aus, hoch und durchdringend, markerschütternd.
Friederike Ulrika schreckte aus dem Tiefschlaf auf. Eleonora schrie erneut. Die Kleine begann zu weinen. Es war nicht das übliche Weinen oder Schreien, wenn sie Hunger hatte, es war Angst, eine tiefe, elementare Angst. Sie spürte die Gefahr für Leib und Leben und schrie.
Unwillkürlich ließ der Soldat von Eleonora ab. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich ihm zu entwinden. Er versuchte sie an den Knöcheln festzuhalten, aber sie konnte ausweichen. Er wollte ihr hinterherhechten, aber seine Hose hinderte ihn daran.
»Un bébé«, keuchte er.
»Mon bébé«, bestätigte Eleonora und griff nach dem Schürhaken, der an dem kleinen Kanonenofen hing, den ihr Vater ihr in die Schlafstube gestellt hatte. Daneben stand ein Weidenkorb, der stets mit Feuerholz gefüllt war. Sie riss den größten Klotz aus dem Stapel und zielte auf den Kopf des immer noch auf dem Boden kauernden Mannes. »Du Schweinehund, mach, dass du wegkommst! Hau ab, wenn dir dein Leben lieb ist, sonst bringe ich dich eigenhändig um«, zischte sie. Auch wenn sie deutsch sprach, hatte der Soldat sie genau verstanden.
»Un bébé, un bébé«, jammerte er. Er kam auf die Füße, knüpfte die Hose zu und torkelte durch die Stube. Jetzt taumelte er auf Eleonora zu, versuchte nach ihrer Hand zu greifen und sie zu küssen. »Madame, Madame, j’ai tellement honte, j’ai tellement honte, pardonnez-moi, je vous en pries«, winselte er demütig.
Eleonora wusste nicht, was schlimmer zu ertragen war, die grobe körperliche Gewalt und Lebensgefahr, die ihr vor wenigen Minuten noch gedroht hatten, oder jetzt das jämmerliche Gewimmere dieses schmutzigen Kerls. Sie verspürte nur Ekel und Widerwillen.
»Pousse toi!«, sagte sie kalt.
Der Soldat gehorchte sofort. Mit einer demütigen Verbeugung zog er die Tür hinter sich ins Schloss.
Die ganze Zeit hatte Friederike gellend geschrien. Nun, da die Gefahr gebannt war, konnte sich Eleonora endlich um ihre kleine Tochter kümmern.
»Mein Riekekind, Mama kommt doch schon. Bitte nicht mehr weinen, ich bin doch da. Brauchst doch keine Angst zu haben. Der tut uns nichts, der kommt nicht mehr zurück.« Woher sie diese Gewissheit hatte? Sie wusste es.
Als ihr Vater an diesem Abend von seinem Musikunterricht nach Hause kehrte, erwartete ihn ein leckeres Abendessen mit Gemüse und neuen Kartoffeln aus Maries Garten. Kein Wort verlor Eleonora über die unheimliche Begegnung und die nur knapp entgangene Vergewaltigung am Vormittag. Auch gegenüber ihrer Freundin und Vertrauten Marie hatte sie geschwiegen.
In der darauffolgenden Nacht fand Eleonora keinen Schlaf. Gegen Mitternacht meldete sich ihre Tochter. Es war ihre Zeit. Eigentlich hatten sie beide inzwischen einen ganz guten Rhythmus gefunden. Nach dem mitternächtlichen Stillen hatte Rieke die letzten Nächte immer bis morgens um sechs Uhr durchgeschlafen. Eleonora hoffte, dass es auch diese Nacht der Fall sein würde. Aber als sie ihre Tochter an die Brust nahm, kam keine Milch mehr. Der Schock vom Vormittag hatte den Milchfluss unterbrochen. Vergeblich und verzweifelt legte Eleonora das Kind abwechselnd an der rechten, dann an der linken Brust an. Die Kleine saugte und saugte und begann schließlich laut zu schreien. Die Muttermilch war versiegt. Für immer.
In Panik legte Eleonora das Kind zurück in seine Wiege und rannte in die Küche. Im Herd brannte noch Glut. Sie setzte einen Topf Wasser auf. Wie gut, dass die umsichtige Marie schon vor Wochen Fläschchen und Sauger in den Küchenschrank gestellt hatte und eine Tüte Haferflocken gleich dazu.
»Mit Milch aufkochen, dann durch
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