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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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Besuch abzustatten, und kurzerhand hatte er Arnold gleich mitgenommen. Er hätte es besser nicht tun sollen, denn der sank nun direkt vor der Bettkante zusammen, schlug die Hände vors Gesicht und heulte wie ein kleines Kind. »Du darfst nicht sterben, August, du bist doch mein Freund, mein bester Freund.«
    »Bitte reiß dich zusammen, Arnold. So benimmt sich kein Lützower Jäger, und schon gar nicht im Angesicht des Todes.«
    »Er stirbt also wirklich?«, schrie Arnold verzweifelt.
    Entschlossen schob Bellermann ihn hinaus. »Ich werde ihn selbst untersuchen«, sagte er.
    »Du bist doch kein Arzt«, protestierte Arnold.
    »Ich stand kurz vor dem Examen, bin aber lieber ins Feld gezogen, anstatt mein Studium noch schnell zu beenden«, entgegnete Bellermann ruhig und machte die Tür hinter Arnold zu.
    So vorsichtig, wie er konnte, untersuchte er die bewusstlose Eleonora. Nachdem er die Wunde ausgiebig betrachtet und versucht hatte mit ein bisschen Gaze abzutupfen, legte er den Verband wieder an und erhob sich. Resigniert schüttelte er den Kopf.
    »Wer bist du wirklich, August Renz?«
    »Eleonora Prohaska«, flüsterte Eleonora kaum hörbar.
    Bellermann hatte sie dennoch verstanden. So schnell und leise er konnte, ging er hinaus. Es gelang ihm gerade noch, Arnold festzuhalten. »Du gehst da nicht mehr hinein!«, verbot er ihm barsch.
    »Warum denn nicht?«, schrie Arnold heulend. »Er ist doch mein Freund.«
    »Es ist nicht dein Freund, da drinnen liegt eine junge Frau, die bald sterben muss. Aber ich weiß nun endlich, wie sie heißt. Wir gehen jetzt zu Leutnant Förster.«
    Eleonora war schon wieder auf Reisen. Noch einmal durchlebte sie ihre schweren Kinderjahre, noch einmal die unbeschwerte Zeit in der Familie von Prewitz, sprach mit Balduin Schilling über sein Requiem, sang noch einmal mit Prinzessin Charlotte im Park von Schloss Paretz, hörte Pfarrer Behlow von der Kanzel donnern oder lachte mit Hedebrink über eine Anekdote, die sie ihm aus einer Zeitung vorlas. Noch einmal vermeinte sie in Alexanders Armen zu liegen, im nächsten Moment die tiefe Enttäuschung zu spüren, die er ihr bereitet hatte. Sie sah ihren Vater, der sich liebevoll über seine winzige Enkelin beugte, und war beruhigt. Ihre Tochter war bei ihm gut aufgehoben.
    Sie vermeinte die Blasen an ihren Füßen zu spüren, die sie sich während der wochenlangen Fußmärsche von Breslau in die norddeutsche Göhrde zugezogen hatte. Tagelang hatten sie in einem Lager vor Dahlenburg campiert und sich fürchterlich gelangweilt, bis Major von Lützow auf die Idee kam, für die Bewohner der Stadt und seine Soldaten ein großes gemeinsames Sommerfest auszurichten. Der fesche August Renz war ein begehrter Tänzer gewesen. Auf dem Marktplatz vor der Kirche hatte er einige Mädchen wild im Tanz herumgewirbelt. Anfangs hatte Eleonora noch Schwierigkeiten gehabt, den Walzer nun rechtsherum tanzen zu müssen. Aber dann hatte sie die kreischenden Mädchen genauso begeistert über die Tanzfläche geschwenkt wie einst Prinz Louis Ferdinand sie im Ballsaal des Prewitzschen Stadtpalais.
    Was hatte er damals zu ihr gesagt? Sie versuchte sich an seine Worte zu erinnern.
    Leider hatte sie niemals die Leonore auf der Bühne verkörpern können.
    »Aber ein braves Lorchen bin ich auch nicht geworden.«
    Mit einem zufriedenen Lächeln schlief Eleonora ein.

    Drei Tage später, am 5 . Oktober 1813 , erlag Eleonora Prohaska, genannt August Renz, ihren schweren Verletzungen im Hause der Witwe Lübbert zu Dannenberg und wurde am 7 . Oktober beigesetzt. In der Zeitung stand:
    »Heute Morgen um 9 Uhr wurde die Leiche der in der Schlacht an der Göhrde verwundeten Eleonora Prohaska zur Erde bestattet, welche als Jäger im Lützowschen Korps unerkannt ihren Arm der heiligen Sache des Vaterlands geweiht hatte. Gleich einer Jeanne d’Arc hatte sie mutvoll gekämpft den Kampf für König und Vaterland. Trauernd folgten dem Sarge, der von ihren Waffenbrüdern getragen wurde, das hannoveranische und russisch-deutsche Jägerkorps. Eine dreimalige Gewehrsalve rief der vom Sturm des Krieges geknickten Lilie den letzten Gruß nach in das Grab.«

[home]
    Epilog
    F riederike Ulrika saß vor dem Haus und genoss die wärmende Frühlingssonne. Lange genug war sie in der kleinen Stube eingepfercht gewesen. Das Wetter war in den vergangenen Wochen einfach zu schlecht gewesen, um das Haus zu verlassen. Nach einem warmen, vielversprechenden März hatte ein ungestümer April eingesetzt. Einem

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