Flamme der Freiheit
Major selbst wurde schwer verwundet.
Hatte Eleonora gehofft, dass damit die Schlacht dieses Tages geschlagen sei, sah sie sich getäuscht. Die Jäger sannen auf Rache, wollten Revanche für die Kavallerie.
Immer wieder bildete die französische Infanterie neue Karrees, aus denen sie dichte Salven auf den Feind feuerten und so auch einen erneut versuchten Angriff der preußischen Kavallerie zum Erliegen brachten. Stürzte ein Reiter zu Boden, löste sich ein Franzose aus der geschlossenen Front, um mit dem Bajonett auf ihn einzustechen, und wurde prompt von einem preußischen Reiter niedergeritten und erschossen.
Mit zitternden Knien stand Eleonora immer noch hinter ihrem Baum und beobachtete das grausame Geschehen. Die Luft war von Pulverdampf, Geschrei und Gestöhne erfüllt. Dieser süßliche Geruch musste von Blut stammen. Die Sicht war behindert. Dennoch konnte Eleonora wahrnehmen, wie die Toten und Verwundeten rings um sie herum immer mehr wurden. Vorsichtig löste sie sich von ihrem Baum. Sie wollte hinauf zur Steimker Höhe, wo ihre Jäger versuchten sich für einen letzten Sturmangriff zu formieren. Sie holte tief Luft und lief den Hang in gebückter Haltung nach oben. Keuchend erreichte sie eine Gruppe der Lützower Jäger. Sie verschnaufte und schaute sich um. Verwundete wurden notdürftig versorgt. Unter ihnen entdeckte sie Leutnant Förster.
»Herr Leutnant, Herr Leutnant, was ist Ihnen passiert?« Erschrocken trat Eleonora näher. Ihr Vorgesetzter saß auf einer Trommel. Es war die Trommel eines französischen Tambours, der nur wenige Meter entfernt lag. Er war tot.
»Eine Musketenkugel«, sagte Leutnant Förster mit einem schiefen Lächeln. »Aus ziemlich weiter Entfernung. Zumindest hatte sie nicht genügend Kraft, mir die Schulter richtig durchzuschlagen. Autsch!«, schrie er.
»Verzeihung, Herr Leutnant«, entschuldigte sich der Sanitäter, der sich die ganze Zeit an dessen Schulter zu schaffen gemacht hatte. »Aber jetzt habe ich sie erwischt. Die Kugel ist draußen. Ich werde Sie ganz schnell verbinden.«
»Dann beeilen Sie sich, Müller«, befahl ihm Leutnant Förster. Der Feldscher nickte nur. Aber mit geschickten Händen hatte er die Wunde in Windeseile versorgt.
»Das wäre es!«
»Danke, Müller.« Leutnant Förster erhob sich und griff nach der Trommel und dem danebenliegenden Stock. Er versuchte sie zu schlagen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht gab er auf. »Das geht wohl gar nicht.«
»Geben Sie mir die Trommel«, bat Eleonora. Sie schulterte ihr Gewehr nach hinten und riss Leutnant Förster die Trommel fast aus der Hand. Überrumpelt überließ er ihr den Stock gleich dazu. Den zweiten hatte sie bereits dem toten Tambour aus der leblosen Hand gezogen. Eleonora schlug einen heftigen Wirbel. Erstaunte Gesichter wandten sich ihr zu. Es waren unbekannte Gesichter, nicht die der Kameraden ihrer Einheit.
»Woher kannst du so gut die Trommel schlagen?«, fragte einer der fremden Jäger.
»Ein Potsdamer Soldatenkind muss sich auf alles verstehen«, sagte Eleonora. »Auch auf das Trommeln während einer Schlacht.«
»Wir greifen erneut an«, rief Leutnant Förster. »Wir marschieren los.«
Eleonora trommelte einen rasenden Wirbel und begann zu laufen, hinweg über lila blühendes Heidekraut der Hügelkuppe entgegen. Einige Jäger schlossen sich ihr an.
»Los, folgt mir!«, rief sie. Es wurden mehr.
Trotz seiner Verwundung blieb Leutnant Förster an ihrer Seite. Hinter ihm keuchte der Feldscher.
»Nicht so schnell, ich komme gar nicht mehr mit«, hörte Eleonora es aus der Ferne rufen. Das musste der kleine Arnold sein.
Sie war nicht zu sehen, sie war nicht zu hören. Sie erwischte Eleonora mitten im Lauf, eine Kartätschenkugel. Sie traf den tapferen Trommler August Renz in den Oberschenkel.
Eleonora strauchelte. Die Trommel fiel zu Boden. Die Stöcke entglitten ihren Händen. Haltsuchend griff sie im Fallen um sich. Sie erwischte einen Zipfel der Uniformjacke ihres Vorgesetzten. »Herr Leutnant«, rief sie verzweifelt, stürzte zu Boden und verlor das Bewusstsein.
»Müller, Müller, sofort hierher, es hat unseren Renz erwischt!«, schrie Leutnant Förster.
Schon war der Feldscher da und kniete neben Eleonora nieder. »Eine tiefe Wunde im Oberschenkel, fast in der Leiste«, stellte er fest. »Ich muss sie sofort abbinden. Ich habe aber kein Verbandsmaterial mehr.« Suchend schaute er sich um. Sein Blick fiel auf Eleonoras weißes Hemd unter der verschobenen Uniformjacke. Er riss
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