Flamme der Freiheit
»Auf Sanssouci hat zu meiner Zeit nicht ein einziger Hofball stattgefunden, bei dem die jungen Damen des preußischen Adels debütierten. Frauen waren dort draußen in Potsdam kaum geduldet. Der König zog die Gesellschaft seiner Windhunde oder junger Offiziere bei weitem der Anwesenheit junger schöner Frauen vor. Seine eigene Gemahlin hat Sanssouci niemals gesehen. Die arme Elisabeth Christine war damals bereits nach Hohenschönhausen verbannt. La pauvre reine!« Sie versank in ihren Erinnerungen.
»Wo hast du denn dein Debüt gehabt?«, fragte Sophie, ehe ihre Großmutter sich in weiteren Reminiszenzen ob des tragischen Schicksals der Elisabeth Christine von Braunschweig, ungeliebter Gemahlin Friedrich des Großen, damit Königin von Preußen, erging. »Sag schon, wo hast du ein smaragdgrünes Ballkleid getragen?«
»Im Berliner Stadtschloss, und es war eisig kalt in dem riesigen Saal.«
»Das war es bei mir damals auch.« Noch in der Erinnerung an ihr eigenes Debüt schauderte es Gräfin Elisabeth.
»Müssen wir am Ende bei unserem Debüt frieren?«, rief Sophie entsetzt.
»Du kannst dir ja ein Paar wollene Unaussprechliche unter den Rock deiner Robe ziehen«, schlug Graf Wilhelm vor.
»Mais, Guilleaume«, rügte ihn seine Gattin.
»Papa, du bist scheußlich«, empörte sich Charlotte. Und Gräfin Dorothea amüsierte sich. Manchmal konnte ihr langweiliger Sohn durchaus Ansätze von Witz zeigen.
Die von Esprit immer noch weit entfernt waren.
Eleonora hatte dem ganzen Gespräch nur mit halbem Ohr zugehört. Das Debüt ihrer beiden Freundinnen interessierte sie kaum, genauso wenig das wichtige Thema der passenden Ballroben. Obwohl? Wie sehr hatte sie sich im Sommer über das schöne Sommerkleid gefreut, das ihr Gräfin Dorothea nach der Opernpremiere geschenkt hatte. Weit von einer aufwendigen, repräsentativen Ballrobe entfernt, war es dennoch das schönste Kleid gewesen, das sie jemals getragen hatte. Es hing in ihrem Schrank unter einer schützenden Leinenhülle versteckt. Ob sie jemals Gelegenheit haben würde, es noch einmal anzuziehen? Es war auch von Demoiselle Durand geschneidert worden.
»Wird Eleonora denn mit uns debütieren?«
Sophies Frage schlug ein wie eine Bombe. Eleonora fuhr zusammen. Ein unbehagliches Schweigen breitete sich zwischen den Anwesenden aus. Jean begann unmerklich auf den Füßen zu wippen und schaute zur Decke. Anton warf Eleonora einen mitfühlenden Blick zu. Gräfin Elisabeth war von dieser Frage peinlich berührt. Sie zeugte von einer ungeheuren Naivität und Unreife ihrer jüngeren Tochter. Und davon, dass sie kein Gefühl für die unsichtbaren, aber dennoch unüberwindbaren Schranken, die zwischen ihr und der Tochter eines Potsdamer Feldwebels standen, hatte. Zeugte es aber nicht von der tiefen Zuneigung, ja, fast geschwisterlichen Liebe, die die junge Baroness für Eleonora verspürte?
»Ja, eigentlich könnte Eleonora doch auch bei Hofe eingeführt werden, warum eigentlich nicht?«, meinte nun auch deren Schwester Charlotte.
»Warum eigentlich nicht?«, wiederholte die Gräfin die Frage ihrer Enkelin und schaute ihren Schützling nachdenklich an.
Eleonora fühlte sich unbehaglich unter diesem intensiven Blick.
»Mais, belle-mère, je vous en pries!« Es war mehr ein entsetztes Quieken als ein Aufschrei des Protestes, der dem wogenden Busen der Gräfin Elisabeth entwich.
»Maman, Sie wissen selbst, dass dies unmöglich ist«, ließ sich auch Graf Wilhelm vernehmen.
»Scheinbar unüberwindbare Hindernisse zu bewältigen haben mir mein Leben lang das größte Vergnügen bereitet«, behauptete die Gräfin und ließ Eleonora nicht aus den Augen.
»Ich lege gar keinen Wert darauf, bei Hofe eingeführt zu werden«, sagte diese leise.
»Aber warum denn nicht, Eleonora. Das wäre doch nett, wir drei zusammen werden dem jungen Königspaar vorgestellt«, bestürmte sie Sophie, und ihre Schwester nickte.
»Aber das geht doch einfach nicht«, protestierte deren Mutter verzweifelt.
»Nein, das geht wirklich nicht«, pflichtete ihr Graf Wilhelm bei.
»Und ich möchte es auch nicht«, sagte Eleonora fest. »Ich würde mich bei Hofe nicht wohl fühlen, denn es würde ein fürchterliches Geraune und Getuschel geben. Frau Gräfin«, wandte sie sich nun an ihre Gönnerin, »der Sophienhof und Ihre Familie sind mir im Verlauf der vergangenen Jahre so etwas wie Heimat und ein Zuhause geworden, aber ich bin mir meiner tatsächlichen Herkunft stets bewusst geblieben. Ich habe
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