Flamme der Freiheit
den Arm aus und winkte Eleonora zu sich heran. »Dann geleite du mich wenigstens hinüber in den Salon, damit ich dort meinen Gatten Ludovic empfangen kann«, befahl sie. Diese sprang auf, um der Anweisung Folge zu leisten. »Es ist wirklich an der Zeit, dass wir nach Berlin zurückkehren, meine Enkelinnen sind in der Tat drauf und dran, hier draußen zu verwildern. Na, wenigstens du weißt dich zu benehmen. Offenkundig sind die Lektionen von Madame Hortense bei dir auf wesentlich fruchtbareren Boden gefallen als bei Sophie und Charlotte.«
Gräfin Elisabeth presste die Lippen zusammen und griff nach der angefangenen Stickerei, die in Reichweite auf einem Tischchen neben ihrem Sessel lag.
»Es mag auch an ihrem Temperament liegen. Vielleicht bringt ja das Blut ihrer französischen Ururgroßmutter sie so in Wallung«, mutmaßte Graf Wilhelm und sog an seiner Pfeife. Noch lange vor den Hugenotten hatte sich ein Urahn der Prewitzens einmal in ein feines französisches Fräulein aus dem Burgund verliebt und es aus seiner Heimat in die karge Mark Brandenburg gebracht. Irgendwo in den weitläufigen Sälen des Stadtpalais hing sogar noch das Porträt dieses blassen, großäugigen jungen Mädchens, das jedoch über ein ungezügeltes Temperament verfügt haben sollte. Über ihre unberechenbaren Ausbrüche wurde heute noch gemunkelt und dass ihr Mann ihr bedingungslos ergeben war. Im Vergleich dazu war das Verhalten von Sophie und Charlotte doch noch als sehr zivilisiert zu bezeichnen. Aber eben nicht comme il faut.
Vor den Augen ihrer Freundin, der gestrengen Gräfin von Voss, würden die beiden kaum Gnade finden. Eher schon die schöne, zurückhaltende Eleonora. Unwillkürlich drückte Gräfin Dorothea den Arm ihres Schützlings. Überrascht schaute das hochgewachsene Mädchen auf sie hinunter.
»Kannst du mir einen Gefallen tun und unten in der Küche Babette Bescheid sagen, dass sie meinem Gatten einen kräftigen Grog zubereitet«, bat sie Eleonora. »Eigentlich könnten wir ja alle einen schönen heißen Punsch vertragen.«
»Das ist eine hervorragende Idee, ma chère maman«, lobte und freute sich ihr Sohn gleichzeitig. Seine Mutter lächelte huldvoll und nahm auf einer vor dem Kamin stehenden Récamiere Platz. Zuvorkommend drapierte Eleonora noch eine dicke Häkelstola um ihre Schultern, ehe sie sich zur Tür begab.
Obwohl im Kamin ein zünftiges Feuer knisterte, war es dennoch empfindlich kalt in dem Salon. Schloss Sophienhof war eben doch eigentlich nur eine Sommerresidenz. Das machte sich an diesem Abend besonders deutlich bemerkbar.
Leichtfüßig eilte Eleonora die Treppe hinunter bis ins Souterrain. Sie war sich sicher, dass Babette auch noch einen herzhaften Imbiss für den Grafen bereithielt. Mit einem leichten Hühnerfrikassee, wie es seine Gattin am Abend bevorzugte, durfte man diesem alten Haudegen nicht kommen. Und schon gar nicht nach so einer langen, anstrengenden Kutschfahrt durch die dunkle Herbstnacht. Oder war der Graf am Ende sogar noch geritten? Zuzutrauen wäre es ihm gewesen.
Eleonora huschte die zweite Treppe hinunter zur großen Küche hinab. Im Vestibül war lautes Hundegebell und auch schon die rauhe tiefe Stimme des Grafen zu vernehmen.
»Parbleu, war das ein Ritt!«, tönte er.
Also doch geritten, umso größer wird sein Hunger sein, dachte Eleonora und lächelte unwillkürlich. Sie mochte den alten Herrn. Ja, sie hatte ihn wirklich gern, nicht auf diese tiefe, anbetungsvolle Art, die sie Gräfin Dorothea entgegenbrachte, sondern mehr auf eine fast belustigte Weise, gemischt mit einer gehörigen Portion Respekt, denn er war ein hoher preußischer Offizier und damit eine Autorität.
Eleonora schlüpfte in den dunklen Gang, der zur Küche führte. Nein, hier unten gab es selbstverständlich keine Beleuchtung. Sie tastete sich an der Wand entlang, orientierte sich an dem Lichtstreifen, der durch die Türritze der Küche drang. Natürlich gab es dort Licht. Wie anders hätte Mamsell Babette ihre Köstlichkeiten sonst zubereiten können? Es war aber ein großes Privileg, dass man ihr mehrere große Petroleumlampen gewährt hatte. Eleonora suchte nach der Klinke, da wurde die Tür schon aufgerissen.
»Vorsicht, Junge, Vorsicht, nicht dass etwas aus der Suppenterrine auf das Tablett überschwappt«, hörte sie die mahnende Stimme der Köchin. Im Gegenlicht erkannte Eleonora die Silhouette des jungen Anton, der ein großes Tablett vor sich trug. Der Umriss einer Riesensuppenschüssel war
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