Flamme der Freiheit
spärlich erleuchteten Gänge zu ihrem Zimmer getastet hatte, stellte sie erfreut fest, dass irgendjemand ihr bereits vor dem Spiegel der Waschkommode eine Kerze entzündet hatte. Vor Umfallen und Brandgefahr schützte ein Glasschutz die offene Flamme. Daneben lagen noch weitere Kerzenstummel. Einige davon nur bis auf die Hälfte niedergebrannt, so dass genug Vorrat vorhanden war, um sich in aller Ruhe auszuziehen und in das Bett zu schlüpfen. Erst jetzt entdeckte sie auch die große Emaillekanne, aus deren weiter Tülle leichter Wasserdampf emporstieg. Sie konnte sich heute Abend sogar den Luxus einer warmen Wäsche gönnen.
Welcher gute Geist hatte so liebevoll für sie vorgesorgt? Aber damit nicht genug. Als sie sich auf das Bett setzte, um ihre Stiefeletten aufzuschnüren, spürte sie einen harten Gegenstand hinter sich im Kreuz. Sie fuhr mit den Händen nach hinten über die Bettdecke und tastete die Wölbung ab. Viereckig, und wohlige Wärme strahlte sie aus.
»Ach, Babette, was bist du doch für ein Schatz«, seufzte Eleonora dankbar und schlüpfte aus den engen Lederstiefeletten. Welch eine Wohltat, sie endlich loszuwerden. Im Gegensatz zum Grafen Ludovic war es den jungen Damen des Hauses nicht gestattet, sich in legerer Kleidung vor der Gräfin zu präsentieren, was auch bequemes Schuhwerk wie die weichen Pantoletten einschloss, in die sie nun aufatmend schlüpfte. Für einen Moment streckte sie sich auf dem Bett aus und legte ihr Gesicht auf die angenehm warme Ausbuchtung ihrer Bettdecke. Da hatte es sich Babette nicht nehmen lassen, ihr einen im Ofenrohr vorgeheizten Ziegelstein ins Bett zu legen. Aber damit war es immer noch nicht getan, denn nun bummerte es heftig an der Tür.
»Kann ich reinkommen, Lorchen?« Es war Babette, die sich nach Eleonoras »Ja« nun durch die Tür schob, mit einem vollbeladenen Tablett. »So, Grießbrei mit geraspelter Schokolade und zerlassener Butter für meene Kleene«, verkündete sie und setzte ihre Last auf dem Nachttischchen auf der Bettseite ab.
»Babette, wie kannst du nur? Jetzt um diese Zeit«, wehrte Eleonora fast entsetzt ab.
»Genau jetzt um diese Zeit, damit es auch wirklich ansetzt«, entgegnete die stattliche Babette ungerührt. Sie hob die Cloche, die normalerweise bei Tisch zum Servieren von Kapaun und Krammetsvögeln benutzt wurde, und es kam ein tiefer Suppenteller zum Vorschein. Daneben stand eine kleine Sauciere, aus der Babette nun goldgelbe, zerlassene Butter über den dampfenden Grießbrei goss. »Das isst du jetzt, noch bevor du dich gewaschen hast«, befahl sie resolut.
»Ach, Babette«, stöhnte Eleonora. Aber dann griff sie nach der Serviette, die Babette ihr entgegenhielt, breitete sie auf ihrem Schoß aus, stellte den Suppenteller darauf und betrachtete dessen Inhalt. Es sah köstlich aus.
»Als du damals zu uns ins Haus kamst, habe ich dich damit auch hochgepäppelt«, erzählte Babette.
Eleonora probierte einen Löffel. »Köstlich«, sagte sie mit vollem Mund und blickte lächelnd zu dem guten Geist der Küche empor.
»Noch einen! Ich werde dir schon wieder zu Fleisch auf die Rippen verhelfen«, versprach Babette. »Jean und Anton wissen auch Bescheid, die werden in Berlin dafür sorgen, dass dir jeden Abend eine Leckerei auf den Nachttisch gestellt wird.«
Unter dem gestrengen Blick von Babette löffelte Eleonora brav ihren Teller leer.
»Gut so«, lobte diese nach einem kritischen Beäugen des blitzeblanken Tellers. »Jetzt kannste dich waschen, und wirst sehen, heute Nacht schläfste wie ein Säugling an der Mutter Brust. Dir werden die Augen von alleine zufallen, keine Zeit mehr zum Grübeln und sonstigen Simmelieren.«
Was hatte nun auch noch Babette plötzlich mit dieser Grübelei?
Beim Waschen betrachtete sich Eleonora aufmerksam im Spiegel. Auch in der spärlichen Beleuchtung des Kerzenlichts fiel ihr nun selbst auf, wie schmal ihr Gesicht geworden war. Richtig abgezehrt sah sie aus. Offenkundig verriet ihr Aussehen über ihr inneres Befinden mehr, als sie jemals von sich aus bereit gewesen wäre, preiszugeben.
Babette hatte recht gehabt, so wohlig satt und müde hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. In Sekundenschnelle war sie eingeschlafen.
Ehe sie in den seligen Schlummer glitt, nahm Eleonora sich ganz fest vor, sich von ihrem Kummer nicht aufzehren zu lassen. Sie beschloss, die Erinnerung an Alexander und damit auch an den leidenschaftlichen Kuss für immer aus ihrem Gedächtnis zu streichen.
Es war
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