Flamme der Freiheit
alten Freundinnen untersagen.«
»Warum das denn?«, wollte Sophie wissen.
»Als Ehegattin des ersten Konsuls betrachtet dieser eine Madame Tallien oder Madame Hamelin nicht mehr als standesgemäß«, erklärte die Gräfin. »Er will, dass sich seine Ehefrau nur noch mit Damen aus den alten Adelsgeschlechtern umgibt.«
»Aber der ist doch selbst nicht standesgemäß«, behauptete Charlotte. »Er ist doch nur der Sohn eines korsischen Advokaten.«
»Der es bis zum ersten Konsul gebracht hat«, mischte sich Eleonora ein.
»Ja, und ich frage mich wirklich, ob er sich damit begnügen wird«, sagte Gräfin Dorothea nachdenklich und blätterte eine Seite weiter.
Charlotte hatte auch ein Blatt ergriffen und begann zu lesen. »Er soll ein Verhältnis mit seiner Stieftochter haben«, quietschte sie aufgeregt.
»Ja, man munkelt ja schon seit Jahren, dass Hortense de Beauharnais hoffnungslos in ihren Stiefvater verliebt sei.« Auch Sophie kannte sich in Klatsch und Tratsch der europäischen Prominenz gut aus.
»Woher wisst ihr das denn alles immer so genau?«, wunderte sich Eleonora.
»Das steht doch in den Zeitungen. Du musst nur zwischen den Zeilen lesen können«, klärte sie Charlotte auf.
»Im Gegensatz zu euch studiert Eleonora lieber ihre Partituren oder liest in richtigen Büchern, anstatt nur in Zeitungen zu blättern, um nach Klatsch und Tratsch zu suchen«, rügte Gräfin Dorothea die Lesegewohnheiten ihrer Enkelinnen. Eleonora mochte es gar nicht, wenn ihre Gönnerin sie immer wieder als leuchtendes Beispiel voranstellte. Bislang hatte es der Zuneigung der beiden jungen Mädchen nichts anhaben können, aber auf Dauer?
»Du studierst doch auch regelmäßig die Berliner und Wiener Zeitungen, ja, lässt dir sogar den
Moniteur
aus Paris anliefern«, sagte Charlotte vorlaut.
»Als Angehörige meines Standes bin ich verpflichtet, mich stets au courant zu halten«, entgegnete Gräfin Dorothea würdevoll. »Und wenn du das Leseverhalten deiner verehrten Frau Großmama etwas genauer beobachten würdest, könntest du feststellen, dass sich deren Lektüre eben nicht nur auf Zeitungen und Magazine beschränkt.«
Charlotte biss sich auf die Lippe und schwieg beschämt. Die Gräfin griff nach der über der Mitte des Tisches hängenden Seidenschnur und zog. Ein schepperndes Klingeln ertönte durch das ganze Gebäude. Keine Minute später stand auch schon Anton im Raum und verneigte sich beflissen.
»Zu Diensten, Erlaucht«, sagte er.
»Der Graf wird sich wohl jeden Moment zu uns gesellen. Bitte bring ihm doch seine gewohnte Kanne Kaffee und seine geliebte Portion Rührei.«
»Die hat Babette schon aufgeschlagen und muss sie nur noch in die Pfanne geben. Zehn Stück hat sie heute nehmen müssen, weil die Hühner gerade so kleine Eier legen«, erzählte Anton eifrig.
Die Gräfin lächelte milde. Sie kannte den guten Appetit ihres Mannes. Und sie kannte ihre Enkelin.
»Bring gleich noch ein Kännchen Schokolade für die Komtesse mit«, befahl sie, und nach einem Blick auf Eleonora: »Und eine heiße Milch mit Honig für unsere Sängerin.«
»Bitte nein, Madame!«, versuchte diese zu protestieren.
»Deine Stimme braucht das«, fegte die Gräfin jeglichen Einwand beiseite.
Die großen Hände reibend, betrat nun Graf Ludovic den Raum.
»Eine Hundskälte ist das da draußen. Und dann noch der Schnee, der passt mir gar nicht«, sagte er und pustete in seine blaugefrorenen Hände.
»Wir brechen noch diese Woche auf«, verkündete seine Frau entschlossen. »Ich habe Jean bereits mitgeteilt, dass wir in drei Tagen fahren und er alles in Küche und Keller vorbereiten soll.«
»Dann sage ich gleichfalls dem Stallmeister Bescheid, dass er die große Berline fertig machen soll«, fiel ihr Graf Ludovic ins Wort.
»Mon cher, ich war noch nicht am Ende«, rügte ihn die Gräfin.
»Pardon, pardon, das ist nun einmal mein Temperament«, entschuldigte sich der Graf sofort. Verzeihung gewährend, hielt ihm seine Gemahlin ihre Hand entgegen, die er pflichtschuldig küsste.
»Ich möchte dich bitten, einen deiner Burschen als Kurier vorauszuschicken, um in Berlin anzuordnen, das Stadtpalais gut vorzuheizen«, sagte sie gemessen.
»Dein Wunsch sei mir Befehl«, erwiderte der Graf. Dann wandte er sich den jungen Mädchen zu. »Eurer Mutter habe ich schon Bescheid gesagt, auch ihr solltet zusehen, euch die wärmsten Sachen zusammenzusuchen und anzuziehen. Diese Rückfahrt wird kein Zuckerschlecken.«
Die nächsten drei Tage war
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