Flamme der Freiheit
man in Schloss Sophienhof mit der Vorbereitung für den Aufbruch nach Berlin beschäftigt. Das gesamte Gebäude schien wie ein Bienenkorb kurz vor dem Ausschwärmen der Königin zu summen. In der großen Schlossküche war Babette mit ihren dienstbaren Geistern unablässig mit der Vorbereitung des Abschiedsessens zugange, die selbstverständlich neben der Vorbereitung des Reiseproviants erfolgte. Der Dorfschmied tauchte im Stall auf, um die Hufeisen der Pferde zu kontrollieren, im Bedarfsfall beschädigte Eisen auszutauschen und Nägel nachzuschlagen. Der Duft verbrannten Horns stieg bis hoch in Eleonoras Zimmer und ließ diese ihre Nase krausen. Die Stallburschen hängten die Felldecken auf den im Hof stehenden Teppichstangen aus und untersuchten sie auf Motten und andere Schädlinge.
Ein ganzer Schwarm Waschfrauen war in die riesige Waschküche eingezogen und schrubbte mit fröhlichem Gesang die aufgelaufene Wäsche der vergangenen Wochen. Drei Bügelfrauen standen in der Plättstube und versuchten, die über eine große Walze gezogene Weißwäsche zu trocknen und die feinen Fältchen von Plissee, Jabots, Volants und Spitzenblusen besonders akkurat hinzubekommen. Die fertigen Kleider wurden zum Aushängen auf einen Ständer gepackt und dann von Jean und Anton in die Damengemächer gebracht.
Unter Anleitung von Gräfin Dorothea mussten die drei Mädchen sie sorgfältig mit Seidenpapier polstern und ihnen danach linnene Säcke überziehen, ehe sie in die großen Reisekoffer gelegt werden durften.
»Ist das nicht eigentlich Aufgabe der Zimmermädchen?«, jammerte Sophie. »Du hast doch selbst gesagt, dass Emma und Paula zu Zofen ausgebildet werden sollen.«
»Richtig, mein Kind, und diese Ausbildung wirst du unter meiner Anleitung vornehmen. Und das kannst du erst tun, wenn du es selbst gelernt hast. Und so, wie du das Seidenpapier in die Falten meines Negligés geknäult hast, wirst du noch eine Menge lernen müssen.« Gräfin Dorothea verlangte wirklich etwas. »Und du, bring deinen Reisekoffer hierher, damit ich mich überzeugen kann, dass du es wenigstens richtig machst«, wandte sie sich an Eleonora, die gerade dabei war, einem sommerlichen Morgenkleid der Gräfin einen Leinensack überzustülpen. Der frische Bügelduft war angenehm.
Eilig lief sie auf ihr Zimmer, schleppte den von Anton schon bereitgestellten Reisekoffer hinüber in das große Ankleidezimmer der Gräfin, hastete wieder zurück, um den Inhalt ihres Kleiderschranks zu holen. Natürlich konnte sich ihre Garderobe nicht mit dem üppigen Bestand der Gräfin vergleichen. Was besaß sie schon groß – ein Kleid für die Woche, eines für den Sonntag, ein Küchenkleid und ein etwas dickeres Reitkostüm, das ihr Gräfin Dorothea vererbt hatte. Und dann natürlich das duftige Ballkleid von der Opernaufführung.
Behutsam zog Eleonora es aus dem leinenen Sack und unterzog es einer genauen Musterung. Nein, die Motten hatten sich noch nicht daran gütlich getan. Das lag wohl auch an dem Kampfer, den sie auf Babettes Empfehlung beigelegt hatte.
Gräfin Dorothea reichte ihr einige Bogen von dem weichen Seidenpapier. Es knisterte kaum. Ein kleines welkes Rosenblatt tanzte auf dem grauen Stoff ihres Ärmels.
»Entschuldige bitte, du hast da was«, sagte nun die Gräfin und zupfte ihr das Blatt vom Arm. Sie zerrieb es zwischen den Fingern. Ein intensiver Rosenduft stieg auf.
Blitzartig ward Eleonora in die laue Sommernacht zurückversetzt. Sie vermeinte den Arm Alexanders um ihre Taille zu fühlen, seine lockende Stimme zu hören, den weichen Druck seiner Lippen auf den ihren zu verspüren. Alles war wieder da, all das, was sie sich doch gerade vorgenommen hatte für immer zu vergessen.
Eleonora wusste nicht, dass sie zuerst blutrot geworden war, ehe sie erbleichte. Aber Gräfin Dorothea hatte sie genau beobachtet und jede ihrer Reaktionen ganz genau registriert.
»Eleonora«, sagte sie leise.
Diese zuckte zusammen.
»Eleonora, ich weiß, wie schön Erinnerungen sind, aber sie können auch zerstörerisch sein, nämlich dann, wenn sie zu trügerischen Bildern und zu falschen Illusionen führen.«
»Wie meinen Sie das, Madame?«, stellte sich Eleonora unwissend.
»Du weiß es ganz genau, denn du bist klug, Eleonora. Ich will dir deine schönen Erinnerungen an den vergangenen Sommer auch nicht kaputt machen, aber es war ein Traum, ein kurzer flüchtiger Sommertraum, der mit dem wahren Leben nichts zu tun hat. Verstehst du mich, Eleonora?« Eindringlich
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