Flamme der Freiheit
guten Händen und freue mich auf unser Wiedersehen im nächsten Jahr. Ich wünsche dir eine gute Erholung bei deiner Schwester in Jüterbog«, wandte sie sich an Babette. »Wir sehen uns dann zu Beginn des nächsten Jahres in Berlin wieder.«
So war es seit Jahr und Tag der Brauch. Mit Ende der Sommersaison ward Babette eine verdiente Pause gegönnt. Sie verbrachte diese Zeit immer bei ihrer Schwester, die mit einem Schuster in Jüterbog verheiratet war. Vier Kinder hatten diese beiden, und Babette freute sich stets darauf, Nichten und Neffen über die Feiertage tüchtig verwöhnen zu können.
»Es wird alles nach Ihren Anweisungen und Ihrem Sinne geschehen. Frau Gräfin wissen doch, dass Sie sich auf mich verlassen kann«, erklärte Jean gemessen.
»Ja, das weiß ich wohl«, bestätigte die Gräfin und erklomm die Stufen hinauf in die hochrädrige Reisekutsche.
Mit viel Ächzen und Gestöhne und Zurechtzupfen von Schleifen und Spitzen ihrer Kleidung nahm Gräfin Elisabeth neben ihr Platz. Den beiden Damen gegenüber ließen sich die jungen Mädchen nieder.
Ein Ruck ging durch den Wagen. Schwerfällig setzte er sich in Bewegung. Oben vom Kutscherbock war das Peitschenknallen und Rufen des Kutschers zu hören.
Sie fuhren schon eine ganze Weile, ehe Gräfin Dorothea ihren Blick nachdenklich über die Anwesenden schweifen ließ.
»Wir sind noch gar nicht vollzählig«, stellte sie fest. »Da fehlt doch jemand.«
Ratlos sahen sich die anderen an.
»Der Maestro«, stöhnte Eleonora auf. »Wir haben Farini vergessen. Ich fürchte, er hat uns und die Abfahrt vergessen. Oder hat jemand ihn heute Morgen beim Frühstück gesehen?«
Gräfin Elisabeth und ihre Töchter schüttelten die Köpfe.
»Er hat mal wieder verschlafen«, stellte die Gräfin trocken fest.
»Wir müssen umkehren, wir müssen umkehren«, sagte Eleonora gehetzt.
»Das wird nicht nötig sein«, meinte die Gräfin. Mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzend, hatte sie die der Berline folgende Kutsche durch das winzige Rückfenster im Auge gehabt. »Emma und Paula müssen das Fehlen von Farini auch gerade bemerkt haben.«
Eleonora und die beiden Komtessen drehten sich um und spähten durch das stumpfe Glas. Es war die rote Rücklaterne der anderen Kutsche, die ihnen bewies, dass diese gerade kehrtmachte und wieder Richtung Sophienhof fuhr.
Nach etwa vier Stunden Fahrt legte die Reisegesellschaft eine Pause ein. Die Pferde wurden abgespannt, abgerieben, umhergeführt, gefüttert und getränkt.
Die Damen begaben sich in die schlichte Postkutschenstation, wo der Inhaber sie ehrerbietig begrüßte und sich nach ihren Wünschen erkundigte. Er hoffte wohl auf ein größeres Geschäft. Seine Erwartungen wurden jedoch von Gräfin Dorothea sehr schnell zunichtegemacht.
»Wenn Sie uns nur einen großen Kessel heißes Wasser bringen könnten, um unseren Tee aufzugießen«, sagte sie. »Unsere Speisen haben wir dabei. Sie kommen mit der zweiten Kutsche.«
Fast eineinhalb Stunden mussten sie jedoch warten. Endlich sprang die riesige Tür der Poststation auf, und auf der Schwelle erschienen Emma und Paula, die ächzend die beiden schweren Proviantkörbe in den Raum schleppten. Mit einem erleichterten Seufzer setzten sie diese auf den blankgescheuerten Tischen vor den Damen Prewitz ab.
»Das hat ja ganz schön lange gedauert«, stellte Gräfin Dorothea fest.
»Wir mussten den Maestro noch aus dem Bett holen, ihm selbst beim Ankleiden helfen«, erklärte Paula fast gekränkt.
»Ja, wir haben ihn sogar rasieren und die Perücke pudern müssen, weil er sich so aufgeregt hatte, dass man ihn vergessen hatte«, berichtete Emma kichernd.
»Wir haben ihn vergessen? Er hat uns und den Aufbruch vergessen«, widersprach Gräfin Elisabeth empört.
Wütend polterte in diesem Moment der Maestro in den Gastraum der Poststation. »Dieser Tonino hat mich einfach nicht geweckt, und auch alle anderen haben heute Morgen nicht an mich gedacht«, schimpfte er. »Und dann kamen diese beiden frechen ragazze und haben mir einfach die Bettdecke weggezogen«, beschwerte er sich mit einem bitterbösen Blick auf die beiden Mädchen. Die kicherten umso lauter und machten sich am Verschlussdeckel der Proviantkörbe zu schaffen. Ein verheißungsvoller Geruch nach Schinkenbraten, gesottenen Hühnern und Leberpastete stieg aus dem Weidengeflecht in den dunklen Raum der Postkutschenstation. Eine Weile herrschte Schweigen.
»Hoffentlich ist das Haus in Berlin auch richtig durchgeheizt«,
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