Flamme der Freiheit
Wand mitten in den Raum ragte.
Es gab einen kleinen Sekretär in der Ecke, der Eleonora irgendwie bekannt vorkam, zwei Stühle und einen Teetisch. Schlicht, dennoch vornehm und zweckmäßig zugleich. Nicht zu vornehm für die Tochter eines Feldwebels aus Potsdam?
Eleonoras Blick fiel auf einen zierlichen Notenständer, den wohl jemand nicht ohne Absicht direkt neben den Sekretär gestellt hatte. Und eine aufgeschlagene Partitur lag auch bereits darauf.
Welche Partitur es wohl war? Neugierig trat Eleonora näher. Wie waren die Noten für
Cosi fan tutte
so schnell hier oben auf ihr Zimmer gelangt? Sie hatte sie doch gerade noch unmittelbar vor der Ankunft in ihrer Reisetasche verstaut. Aber die stand ja auch schon auf ihrem Bett. Eleonora schüttelte ungläubig den Kopf. Es gab nicht nur gute Geister im Haushalt der Prewitzens, sondern richtige Zauberkräfte. Ja, Madame Hortense war eine zwar unerbittliche, dabei aber meisterhafte Lehrerin. Das würden Emma und Paula alsbald zu spüren bekommen.
»In meiner Lieblingsfarbe Rosé, Großmutter hat wirklich daran gedacht!«
»Und ich habe mein geliebtes Bleu bekommen!«
Die Begeisterungsschreie der beiden Komtessen rissen Eleonora aus ihren Gedanken. Mit beiden Händen strich sie noch einmal über die schwere Bettdecke, ehe sie zurück in den Salon trat. Eine Tür hatten sie noch nicht geöffnet. Sie enthielt auch kein Symbol. Was sich wohl dahinter verbarg?
Die Antwort erhielten die drei prompt von einem Zimmermädchen, das gerade mit einer schweren Kanne nach höflichem Anklopfen in den Salon trat. Sie grüßte nur kurz.
»Das heiße Wasser für die jungen Damen«, ächzte sie kurzatmig und schleppte die Kanne quer durch den Raum. Sie öffnete die Tür, die schmaler als die anderen war. Ein hell gekachelter Raum kam zum Vorschein, durchzogen von einer schmalen Schmuckbordüre mit winzig kleinen Rosen.
»Ein Waschraum, ein richtiger Waschraum«, jubelte Sophie.
Das Mädchen nickte nur und schleppte die Kanne zu einem Waschtisch, der am Kopf des Raums stand. In dessen Marmorplatte war ein tiefes Waschbecken eingelassen, in das das Zimmermädchen nun das heiße Wasser goss. Auf der Platte lagen drei Schalen Seife, jede in einer anderen Farbe, rosé, hellgrün und violettblau. So waren auch hier jegliche Missverständnisse ausgeschlossen, genauso wie bei den dicken Handtüchern, die sich in diesen drei Farben in einem Regal an der Wand nebeneinander stapelten.
»Ein eigenes Waschzimmer! Nur für uns drei!« Sophie konnte gar nicht aufhören zu jubeln.
Bislang hatten sie sich alle immer nur mit einem einfachen Waschtisch begnügen müssen. Aber Gräfin Dorothea war der gerade aufkommenden neuen Hygienebewegung gegenüber sehr aufgeschlossen. Zum Entsetzen ihrer Schwiegertochter hatte sie sogar neulich bei Tisch den Einbau einer Badewanne erörtern wollen.
Mit so einem neumodischen Kram durfte man Gräfin Elisabeth nicht kommen. Sie gehörte noch zu jener Fraktion, die glaubte, je größer der Parfumverbrauch, desto besser den Ansprüchen der Körperpflege und Sauberkeit Genüge zu tun.
»Darf ich zuerst, darf ich zuerst?«, rief Sophie und hopste aufgeregt wie ein kleines Kind auf und nieder.
»Nur zu, lass dir ruhig Zeit, dann gehe ich mittlerweile meine Reisetasche auspacken«, sagte Eleonora und zog die Tür des Waschzimmers hinter sich zu. Sie schritt durch den Raum. Vor dem geöffneten Flügel blieb sie stehen. Andächtig strich sie über dessen glänzenden Lack. Spielerisch schlug sie eine kleine Melodie auf den Tasten an. »Wie bist du nur hierhergekommen?«, murmelte sie vor sich hin und spielte versonnen weiter.
»Das war in der Tat ein schwieriges Unterfangen«, ertönte die helle Stimme der Gräfin. Erschrocken fuhr Eleonora aus ihren Gedanken hoch. »Wenn wir unseren Christian mit seinen kräftigen Stallburschen nicht hätten, wäre dieses Instrument wohl niemals hier oben angekommen«, sagte sie fröhlich. »Graf Ludovic hat mir gerade erzählt, dass Christian sich bei ihm noch tagelang bitterlich über diese Zumutung beschwert habe. Schließlich sei er unser Kutscher und kein Lastesel. Recht hat er, auch ein Kutscher hat seine Berufsehre, aber ich wollte dir doch unbedingt eine Freude machen.«
»Mir eine Freude machen?«, wiederholte Eleonora fassungslos. »Es ist doch Ihr Flügel.« Sie war fast entsetzt.
»Ja, mein Kind, es ist immer noch mein Flügel und wird auch immer mein Flügel bleiben«, erwiderte die Gräfin. »Aber warum soll er bei
Weitere Kostenlose Bücher