Flamme der Freiheit
ist immer noch en vogue«, mischte sich Mademoiselle Durand ein.
War das vor drei Wochen eine Überraschung für die jungen Komtessen gewesen, als die französische Schneiderin nur wenige Tage nach ihrer Ankunft in Berlin mit Sack und Pack im Prewitzschen Stadtpalais Einzug gehalten hatte. Schier außer sich vor Entzücken waren die beiden jungen Mädchen geraten, nachdem ihnen Gräfin Dorothea eines Abends an der gemeinsamen Tafel verkündete, dass es ihr mit viel Überredungskunst, Geschick und noch mehr Geld gelungen sei, die begehrte Schneiderin noch kurzfristig zur Anfertigung der Ballroben für die beiden Debütantinnen anzuwerben. Dafür war der französischen Demoiselle eigens ein großer heller Raum im Parterre des linken Seitenflügels als Atelier zur Verfügung gestellt worden. Normalerweise diente dieser für Theateraufführungen, Scharaden oder Lesungen, zu denen Gräfin Dorothea gerne während der Wintermonate einlud. Nunmehr residierte hier Mademoiselle Durand. Besser gesagt, sie regierte hier, führte ein erbarmungsloses Zepter über ihre Gehilfin und zwei junge Lehrmädchen, und nicht nur über sie, sondern auch über die jungen Damen des Hauses Prewitz zu Kirchhagen.
Die Komtessen hatten fortan nichts anderes mehr im Kopf als die Anfertigung ihrer Ballroben, ein Unterfangen, das ihren gesamten Tagesablauf bestimmte.
Da Eleonora nicht debütieren würde, musste sie sich auch nicht der langwierigen Prozedur der täglichen Anproben unterziehen. Stattdessen nahm sie ihre Musikstunden beim Maestro wieder auf.
Diese fanden im Salon der jungen Damen statt, weil dort mittlerweile der große Flügel stand. Maestro Farini war fast so überwältigt wie Eleonora selbst, als er erfuhr, dass Gräfin Dorothea bis auf weiteres dieses wertvolle Instrument seiner geliebten Signorina Nora zur Benutzung überlassen hatte. Genauso überzeugte ihn der Vorschlag, ihr Klavierunterricht zu erteilen, damit sie sich auch einmal selbst begleiten konnte.
Eleonora war sehr überrascht, als der Maestro sich an den Flügel setzte und mit eleganter Leichtigkeit seine Finger über die Tastatur tanzen ließ. Sie hatte gar nicht gewusst, dass er auch dieses Instrument beherrschte. Er spielte eine ihr ungewohnte Melodie für sie, die nichts von der barocken Gefälligkeit und tonalen Berechenbarkeit seiner sonst bevorzugten Musik beinhaltete.
»Was war das denn für ein Stück, Maestro?«, erkundigte sich Eleonora erstaunt und beeindruckt zugleich.
Ein fast beschämtes Lächeln zeigte sich auf Farinis Zügen. »Das war eine Klaviersonate von Beethoven«, gestand er.
»Wirklich?«, vergewisserte sich Eleonora. Sie hatte über den ungestümen Komponisten aus Bonn, der seit einigen Jahren in Wien lebte, zwar schon einiges gelesen, sogar Klatsch vernommen, aber noch niemals seine Musik gehört.
»Er ist ein Genie«, behauptete der Maestro. »Ich hoffe, dass er eines Tages auch noch Opern schreibt. Mit den passenden Partien für Sie, carissima Nora«, fügte er fast zärtlich hinzu. Er ließ einen perlenden Lauf auf dem Flügel ertönen. So nach und nach setzte er die Noten zu einer Eleonora bekannten Folge zusammen. Aufmunternd nickte er ihr zu. »Wollen wir es einmal versuchen?«, schlug er vor.
Vorsichtig setzte Eleonora ein. Ein wenig schwach und verhalten kamen die ersten Töne, aber dann bemerkte sie plötzlich, wie sie eine neue Energie durchströmte. Fest und klar, hell und stark war ihre Stimme wieder geworden. Mühelos erklomm sie die vom Maestro vorgegebenen Tonleitern, konnte den Ton in höchster Lage halten und kehrte sicher wieder bis in die Mezzolage zurück. Nach einer guten Viertelstunde hielt Farini inne.
»Das genügt für heute«, erklärte er. »Wir wollen deine Stimme auch nicht überstrapazieren. Und nun setz dich neben mich.« Einladend klopfte er auf die Klavierbank, die genügend Platz für eine zweite Person bot. Er begann in dem Stapel der vor ihm liegenden Noten zu blättern, stieß ihn aber dann ungeduldig beiseite. »Schau mir auf die Finger und versuche es nachzumachen«, forderte er Eleonora auf. Und so erhielt sie ihre erste Klavierstunde. Sie würde im Winter genug zu tun haben, wenn sie auch dieses Instrument einigermaßen beherrschen wollte. Das Gleiche schien auch der Maestro zu denken. »Während die Komtessen sich die Schuhe auf den Bällen durchtanzen, wirst du reichlich Zeit haben, hier zu üben. Carissima, du wirst eines Tages eine Königin der europäischen Opernbühnen sein.«
Der
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