Flamme der Freiheit
wesentlich förmlicher und zeremonieller zuging, beibehielt? Eleonora hatte da ihre Zweifel.
»Mademoiselle Eleonora«, begrüßte sie nun auch Madame Hortense mit unverkennbar französischem Akzent und deutete einen Knicks an.
Oh, die Kunde von Eleonoras Erfolg war wohl bis zu ihr vorgedrungen. Diese Ehrerbietung hatte sie ihr zuvor niemals bezeugt. Erstaunt schaute Eleonora in Madame Hortenses Gesicht. Sie zeigte die gewohnte strenge Miene, aber Eleonora vermochte keine Heuchelei in diesen Zügen zu entdecken. Diese Erfahrung war neu für sie. Aber sie erkannte in diesem Moment: Madame Hortense hatte Dünkel, sie war unerbittlich streng, doch sie war nicht falsch und würde in Zukunft auch sie in ihre den Prewitzens bezeugte Loyalität mit einbeziehen. Eleonora atmete tief durch. Wieder eine Gegnerin weniger in diesem Hause.
»Ich habe Ihre gesamte Wintergarderobe schon oben im Ankleidezimmer bereitgehängt«, sagte sie nun wieder an die Gräfin gewandt.
»Das ist gut so, Hortense«, erwiderte die Gräfin. »Haben die Winterpelze alles unbeschadet überstanden?«
»Alle im besten Zustand, der Zobel vom kurländischen Herzog sieht noch so aus wie am ersten Tag«, erzählte Madame Hortense bereitwillig. »Für das heutige Souper können Frau Gräfin die Nerzstola umlegen.«
»Und mein Hermelin?«, dröhnte Graf Ludovic dazwischen.
Irritiert schaute Madame Hortense ihn an. »Welcher Hermelin?«, fragte sie unsicher.
»Der Graf beliebt zu scherzen«, sagte Gräfin Dorothea.
»Der Herzog von Kurland hat mir auch einmal einen Hermelin geschenkt«, behauptete er.
»Den du noch im selben Jahr bei einem scharfen Jeu an den guten Herzog von Bayreuth verloren hast«, versetzte seine Gattin. Er grinste beschämt.
»Ich habe alle Pelze der Familie, die in Ihren Kleiderkoffern im Hotel St. Petersburg eingelagert waren, ins Stadtpalais kommen lassen«, erklärte Madame Hortense nun ein bisschen pikiert. »Die Diener haben sie ausgepackt. Ich habe sie im großen Kaminzimmer aushängen lassen und auf Ungezieferbefall untersucht. Bis auf eine Kaninchenweste aus den Kindertagen von Graf Alexander und eine Schlittendecke waren alle übrigen Pelze in einwandfreiem Zustand und können von den Herrschaften sofort getragen werden.«
»Das ist gut zu wissen, meine Liebe. Und was haben Sie sich heute Abend für uns zum Essen ausgedacht?«, erkundigte sich Gräfin Dorothea.
»Sollten wir nicht auf die Ankunft der zweiten Kutsche mit den Proviantkörben warten, da gibt es doch noch genug für uns zu essen?«, schlug Charlotte vor.
»O ja, der Schinkenbraten hat ja schon gestern verheißungsvoll durch das Haus gerochen«, sagte Graf Ludovic begeistert.
»Ich habe eigentlich im Hotel St. Petersburg frische Austern, Lachs und Sterlet bestellt.« Nun schien Madame Hortense fast beleidigt. »Ein Botenjunge des Hotels wartet in der Küche darauf, bis er loslaufen kann, um von der Ankunft der Herrschaften drüben Bescheid zu geben.«
Das Hotel St. Petersburg befand sich nur wenige Gehminuten vom Prewitzschen Stadtpalais direkt Unter den Linden.
»Dann eben beides«, schlug Graf Wilhelm vor und leckte sich die Lippen. »Dazu frischen Champagner zur Feier des Tages.«
»Gute Idee, mein Sohn«, lobte ihn sein Vater. »Dann werde ich schon mal rasch in den Weinkeller gehen und ein paar schöne Flaschen für uns aussuchen.«
»Ich habe mit Monsieur Legrand zuvor eine Auswahl getroffen«, entgegnete Madame Hortense spitz. »Der Rotwein ist bereits dekantiert, der Weißwein und der Champagner im Weinschrank der Kühlkammer kalt gestellt.«
»Na, dann werde ich mal nachschauen, welche Auswahl Sie mit Monsieur Legrand getroffen haben«, meinte Graf Wilhelm und begab sich auch schon Richtung Küche, die in einem Seitentrakt des Gebäudes lag.
Monsieur Legrand war der Chefkoch des Hotels St. Petersburg, einst geschätzter Koch am Hofe von Versailles, bis auch ihn die Revolution 1790 bis nach Berlin getrieben hatte, wo er mit seinen Kenntnissen der raffinierten französischen Küche sehr schnell Anstellung und Anerkennung gefunden hatte. Er war der einzige Koch, von dem Babette nach ihrem alten Lehrmeister noch irgendwelche Ratschläge annahm.
Nachdem sich Gräfin Elisabeth auch der übrigen Reisegesellschaft zugesellt hatte, fehlte eigentlich nur noch Maestro Farini. Ja, tatsächlich die ganze Kutsche mit allen Insassen und den beiden immer noch gut gefüllten Proviantkörben.
»Ich schlage vor, dass wir uns nun auf unsere Zimmer begeben
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