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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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war nicht abgeneigt, sich dem Trubel der Ballvorbereitungen auf diese Weise zu entziehen.
    »Fa fredo, fa fredo«, klagte der Maestro, kaum dass sie das Haus verlassen hatten, und zog den Pelzpaletot noch fester um seine dünnen Schultern. Vor Jahren hatte Graf Wilhelm ihm den Paletot überlassen, da er ihn selbst aufgrund seiner wachsenden Leibesfülle nicht mehr tragen konnte. Dennoch versank Farini fast in diesem Kleidungsstück und drohte sich ständig mit seinen dünnen Beinchen im unteren Saum zu verheddern.
    Eleonora lachte und schlug den Kragen ihres Pelzmantels hoch, ehe sie ihren Lehrer unterhakte und mit sich zog. Auch sie trug ein abgelegtes Kleidungsstück. Aber im Gegensatz zu Farini passte ihr dieses Erbteil wie angegossen.
    »Du siehst wie eine Königin aus«, hatte der Maestro bewundernd gesagt, als sie in der Eingangshalle, wo er bereits auf sie wartete, auf ihn zugeschritten war. »Deine Größe wird dir auf den Bühnen Europas einmal zugutekommen.«
    Eleonora hatte es gar nicht so gerne, wenn man sie auf ihre Größe ansprach. Viel lieber wäre sie so klein und zierlich wie Gräfin Dorothea oder Komtesse Charlotte gewesen.
    So hing der schmächtige Maestro mehr oder minder an ihrem Arm, als sie sich an diesem wunderschönen Wintertag auf den Weg machten.
    »Carissima, du bist einfach zu schnell für mich«, stöhnte Maestro Farini, der mit seinen winzigen Trippelschritten kaum mithalten konnte.
    »Oh, entschuldigen Sie, Maestro«, sagte Eleonora lachend. »Ich hatte Ihr Schuhwerk vergessen. Es ist der Witterung nicht unbedingt angemessen.«
    Während Eleonora ganz bewusst heute in ein Paar bequeme Pelzstiefeletten geschlüpft war, bestand der Maestro eigensinnig nach wie vor auf das Tragen seiner uralten Pumps mit den abgelaufenen Absätzen, ein Relikt aus vergangenen Zeiten.
    Wir müssen schon ein etwas komisches Bild abgeben, dachte Eleonora, als sie Maestro Farini vorsichtig über die glatte Schneedecke des breiten Trottoirs geleitete.
    »Langsam, Carissima, piano, piano«, beschwor er sie und blieb stehen. Zum ersten Mal bemerkte Eleonora den pfeifenden Atem, der aus der Tiefe seiner Brust entwich. Der rasselnde Husten, der daraufhin folgte, gefiel ihr gar nicht.
    »Maestro, fühlen Sie sich nicht wohl?«, erkundigte sie sich besorgt.
    Abweisend schüttelte Farini den Kopf, so heftig, dass seine alte Perücke verrutscht wäre, hätte er nicht einen ausgebleichten Zweispitz fest auf den Scheitel gedrückt. »Das Londoner Klima hat mir für immer meine Gesundheit ruiniert«, keuchte er. »Immer nur Regen, Regen und dann noch dieser fürchterliche Nebel, der einen keine drei Schritte weit sehen ließ.«
    Es war ein frostklarer, aber bitterkalter Wintertag. In einem kristallinen Blau wölbte sich der Himmel über Berlin. Der Maestro schauderte. Er hängte sich noch ein bisschen schwerer in Eleonoras Arm.
    »Maestro, wird es Ihnen nicht zu viel? Wollen wir in einer der Confiserien eine kleine Pause einlegen?«, schlug Eleonora besorgt vor. »Eine heiße Schokolade oder ein schöner Tee würde Ihnen jetzt guttun, am besten mit einem kräftigen Schluck Rum«, setzte sie verschmitzt hinzu.
    »Lieber nach Hause, Carissima, lieber nach Hause ins Warme«, sagte er. »Es tut mir wirklich leid, Norina, aber ich habe mich überschätzt, meine Kräfte sind so einem Ausflug in die winterliche Kälte nicht mehr gewachsen.«
    So machten Meister und Schülerin noch vor dem Kronprinzenpalast kehrt, um in winzigen Trippelschritten zum Stadtpalais der Prewitzens zurückzugelangen. Der kleine Ausflug hatte keine Dreiviertelstunde gedauert. Entsprechend erstaunte Miene zeigte Jean, der auf Eleonoras Klopfen hin an der Tür öffnete.
    »Schon zurück?«, konnte er sich nicht verkneifen.
    »Der Maestro ist erschöpft, er benötigt etwas Heißes zu trinken und eine kleine Stärkung«, erklärte Eleonora und knöpfte ihren Mantel auf. Beflissen kam Jean dem Maestro zu Hilfe und schälte ihn aus Graf Wilhelms abgelegtem Pelz. »Ich werde Babette Bescheid sagen, dass sie ihm etwas zu trinken und zu essen zubereitet.« Und schon war Eleonora in die Küche geeilt.
    Eine halbe Stunde später saßen sich der Maestro und seine Schülerin in dessen Zimmer gegenüber. Eleonora nippte an ihrem Tee mit Milch und Zucker, der Maestro trank seinen mit viel Zucker und noch mehr Rum. Schmerzlich verzog er das Gesicht, als er einen weiteren Schluck zu sich nahm.
    »Schmeckt es Ihnen nicht, Maestro?«, erkundigte sich Eleonora

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