Flamme der Freiheit
überhaupt nicht comme il faut.« Sie äffte den gezierten Ton der ungeliebten Gräfin nach.
Jean grinste verhalten. »Das wird sie kaum, denn sie liegt mit zugezogenen Vorhängen im Bett und hat Migräne«, sagte er.
»Ach, die Ärmste!« Babette hatte ein butterweiches Herz. »Dann werde ich gleich einmal eine kühlende Minzkompresse herstellen.«
»Ich glaube, sie hätte auch nichts gegen ein klitzekleines Schaumomelettchen mit ein paar fein gehobelten Trüffelscheibchen«, meinte Jean.
»Trüffel, also mein Lieber, Trüffel?« Babette stemmte die Arme in die fülligen Hüften und schaute Jean fast entsetzt an. »Wo sollen wir denn jetzt Trüffel herbekommen?«
»Ein kleiner Willkommensgruß aus der Küche vom Hotel St. Petersburg«, klärte Jean die verdutzte Babette auf. Er wies mit ausladender Geste auf die Tür, hinter der sich die große Speisekammer befand. »Du findest den Schatz hinten in der Kühlkammer.«
»Dieser Jean Pierre, das ist doch ein ganz Verrückter!« Babette schüttelte den Kopf, aber es war nicht zu übersehen, dass sie sich sehr über das kleine Präsent des französischen Kochs von Berlins erstem Hotel am Platze freute. »Komisch, dass Eleonora gar nicht zu meiner Begrüßung erschienen ist«, wunderte sie sich, während sie mit wieselflinker Geschwindigkeit die Vorbereitungen für eine lindernde Kompresse traf und parallel dazu auch schon zwei Eier für das »Omelettchen« aufschlug.
»Die übt oben am Flügel im Salon der jungen Damen«, plauderte Jean.
»Klavier, Salon der jungen Damen, wo ist der denn?«, wunderte sich Babette erneut.
Nun holte Jean zu einem langen Vortrag aus, was sich seit der Renovierung des Berliner Stadtpalais alles an Neuerungen ergeben hatte. Es war ein längerer Vortrag, und als er ihn beendete, lag ein goldgelbes, duftig schaumiges Omelett in der großen gusseisernen Pfanne und harrte seiner Verzierung.
»Ich hole den Trüffel und bringe die Cloche gleich mit«, sagte Jean eilfertig und verschwand hinter der Tür zur großen Vorratskammer, in der auch ein riesiger Geschirrschrank stand.
Gemeinsam machten sich die beiden dann daran, das Omelett zum Verzehr vorzubereiten, dekorierten es liebevoll, ehe es unter der riesigen Cloche verschwand. Jean öffnete den Speiseaufzug.
»Oh, hat Gräfin Elisabeth denn auch einen Zugang von ihrem Zimmer aus?«, fragte Babette.
»Ach nein, das habe ich ja ganz vergessen? Natürlich nicht.« Jean schien fast ein bisschen beschämt. Aber dann erhellte sich seine verdüsterte Miene. »Ich gehe in den Speisesaal und öffne dort die Klappe. Dann gebe ich dir ein Klopfzeichen, wenn du das Essen hochschicken kannst.«
Sein Vorschlag löste wieder einmal ein verständnisloses Kopfschütteln bei Babette aus. »Das sind mir fast zu viele Neuerungen. Ob ich mich daran gewöhnen kann?«, sagte sie skeptisch.
Leises Klavierspiel und dann der Ton einer hellen klaren Stimme erklangen plötzlich in der Küche.
Babette lauschte. »Horch, was ist das?« Sie legte den Kopf zur Seite. »Klingt ja ganz genau wie mein Eleonorchen«, stellte sie erstaunt fest. Ein fast zärtliches Lächeln glitt über ihre Züge.
»Das ist Eleonora«, erwiderte Jean und öffnete die beiden Klappen des Speiseaufzugs. Klavierspiel und Gesang wurden lauter. »Du hörst sie durch den Schacht des Speiseaufzugs«, erklärte er und stellte das Tablett mit der Cloche hinein.
Babette lauschte noch hingebungsvoller.
Jean klopfte ihr sacht auf die Schulter. »Vergiss nicht, mir das Essen hochzuschicken, wenn ich oben klopfe«, ermahnte er sie und entschwand.
»Mein Lorchen, es hat seine Stimme wiedergefunden«, sagte Babette glücklich. »Vielleicht sollte ich ihr einen Grießbrei kochen und mit dem Aufzug nach oben schicken. Ein kleiner Gruß aus der Küche.« Sie gluckste vor Vergnügen und wartete auf das Klopfen aus dem Speisesaal im ersten Stock.
10
E ndlich, endlich war es so weit. Schon am frühen Morgen warf das große gesellschaftliche Ereignis seine Schatten voraus. Zur Feier des Tages durften die Komtessen so lange schlafen, wie sie wollten. Daher musste Eleonoras Musikunterricht entfallen, oder besser gesagt, auf den Abend verlegt werden.
»Carissima, dann werden wir eben einen kleinen Spaziergang Unter den Linden machen«, schlug der Maestro vor. »Mir ist das heute alles sowieso viel zu unruhig hier. Lass uns lieber fare una piccola passagiata.«
Für einen kleinen Bummel Unter den Linden war Maestro Farini immer zu haben. Auch Eleonora
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