Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
Vom Netzwerk:
besorgt.
    »Überhaupt nicht, das ist doch Medizin, das kann doch gar nicht schmecken«, behauptete Farini. Mit angewiderter Miene lehnte er sich in seinem hochlehnigen Armsessel zurück und versank in tiefes Grübeln. Eleonora glaubte schon, er wäre wieder in eins seiner üblichen plötzlichen Nickerchen gefallen, als plötzlich ein spitzbübisches Lächeln über sein faltiges Gesicht glitt. »Ich habe da noch etwas für uns, das wird uns beiden schmecken«, verkündete er strahlend.
    »Was denn?«, erkundigte sich Eleonora höflich.
    »Schau mal da drüben in den Schrank mit dem Glasaufsatz, da findest du eine hohe, schmale Flasche. Sie wird dir sofort ins Auge stechen, denn der Inhalt muss dir einfach entgegenleuchten. Bitte bring auch gleich zwei Likörgläser mit«, fügte er überraschend energisch hinzu.
    Eleonora leistete seinen Worten Folge. Im fahlen Licht dieses beginnenden Winternachmittags leuchtete ihr das intensive Gelb des Flascheninhalts aus dem Dunkel des Schranks richtig entgegen.
    »Was ist das?«, fragte sie erstaunt.
    »Zieh den Korken heraus und riech daran, dann schenk uns beiden ein Gläschen ein«, forderte der Maestro sie auf.
    Es war nicht einfach, den Korken aus dem klebrigen Flaschenhals zu lösen, aber es gelang. Eleonora beugte sich über die Öffnung und schnupperte. Ein betörender Geruch nach frischen Zitronen stieg ihr entgegen.
    »Was ist das, das riecht ja wunderbar?«, fragte sie entzückt.
    »Limone«, erklärte der Maestro besonnen. »Echter Limone aus meiner sizilianischen Heimat. Meine Nichte hat ihn eigens für mich hergestellt und meinem Freund Orlando auf die weite Reise nach Berlin mitgegeben. Nun schenk uns doch ein!«
    Eleonora nahm zwei Gläser aus dem Schrank, stellte sie auf den kleinen Teetisch neben Maestro Farinis Armsessel und schenkte vorsichtig ein. Die durchsichtige gelbe Flüssigkeit hatte eine fast ölige Konsistenz und schmeckte noch besser, als sie roch.
    »Das schmeckt ja, also ich kann gar nicht beschreiben, wie gut das schmeckt. Noch niemals habe ich so einen intensiven Zitronengeschmack erlebt«, sagte Eleonora begeistert.
    »Der Geschmack meiner Heimat, der Geschmack von bella sicilia, von Zitronenbäumen an den Hängen des Vesuv.«
    Maestro Farini nahm noch ein Schlückchen, schloss die Augen und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Nostalgia fa male«, murmelte er.
    So viel Italienisch verstand Eleonora schon lange, um zu begreifen, dass ihr Lehrer unter Heimweh litt.
    »Aber ich dachte, Sie fühlen sich schon längst hier wie zu Hause«, sagte sie bestürzt.
    »Carissima, ich werde niemals die Gastfreundschaft, die mir la Comtessa so großzügig seit Jahren gewährt, angemessen vergelten können, aber meine Heimat kann auch sie mir nicht ersetzen«, erwiderte er müde. Er hielt die Augen immer noch geschlossen, faltete die Hände vor der Brust und lehnte den Kopf in den Nacken zurück. »Carissima, ich will nicht unhöflich sein, aber ich möchte jetzt alleine sein und ein bisschen schlafen«, sagte er. »Wenn die anderen alle zum Ball gegangen sind, können wir ja die versäumte Stunde nachholen. Ich werde dann zu dir in den Salon der jungen Damen kommen. Sieh zu, dass du vorher noch ein bisschen üben kannst.«
    Eleonora gehorchte, aber nicht ohne vorher den Maestro wie gewohnt mit einem Plaid zugedeckt zu haben. Farini seufzte noch einmal wohlig, ehe er in tiefen Schlummer versank.

    Eleonora zog sich in ihr Zimmer zurück. Es war ungewohnt still im Gemach der jungen Damen. Normalerweise herrschte hier um diese Zeit ein temperamentvolles Reden, Klatschen, Tratschen und lebhaftes Schnattern, untermalt von den Übungsstückchen, die Eleonora mittlerweile beherrschte. Auch beim heftigsten schwesterlichen Streit war sie in der Lage, diese Tonfolgen hoch und runter zu spielen. Und wenn sie sich verspielte, wiederholte sie unbeirrt die fehlerhafte Passage, bis sie makellos war. Dann hatten Charlotte und Sophie auch meist ihre Auseinandersetzung bereinigt. Wenn der Gong zum Abendessen rief, begaben sich die drei stets einträchtig und in vorbildlicher Toilette zu Tisch.
    Ganz anders verlief das jedoch am Tag des Debüts der beiden Komtessen von Prewitz zu Kirchhagen. Der ungewohnte Likörgenuss hatte auch Eleonora schläfrig gemacht. Statt ihre Notenpartituren zu studieren oder am Flügel zu üben, legte sie sich auf ihr Bett. Nur ein bisschen ausruhen, dachte sie. Schon im Halbschlaf griff sie nach der dicken Bettdecke, um sich richtig fest

Weitere Kostenlose Bücher