Flamme der Freiheit
Babette sofort hoch.
»Irgendwann mal bei einem Großreinemachen im vergangenen Frühjahr. Du warst es sogar, die verlangt hat, dass wir alle Klappen öffnen, damit der Schacht einmal so richtig durchgelüftet wird«, verteidigte sich Emma. »Du wolltest ja, dass wir ihn schrubben, hast sogar überlegt, den Schornsteinfeger zu holen, weil wir nicht überall rankamen.«
»Hast ja recht, hast ja recht«, lenkte Babette ein.
»Na ja, da haben wir beim Putzen eben mithören können, wie sich die Grafen gestritten haben«, erzählte Emma.
»Wer denn?«, fuhr Babette schon wieder gereizt hoch.
»Na, Graf Wilhelm und Gräfin Elisabeth mit der alten Gräfin. Sie stritten sich wegen Eleonora.«
Schweigen.
»Ach herrjemine!« Emma schlug sich mit der Hand auf den Mund und schaute schuldbewusst zwischen Babette und Eleonora hin und her. »Das ist mir jetzt so rausgerutscht, das hätte ich lieber nicht sagen sollen«, meinte sie beschämt.
»Es ging um mich, worum genau ging es denn?«, wollte Eleonora wissen. Sie war Gesprächsthema gewesen? Wegen ihr sollte man sich gestritten haben? Für sie war dergleichen unvorstellbar. Sie bemerkte, wie Babette und Emma miteinander Blicke tauschten, und sah den warnenden Gesichtsausdruck der Köchin. »Wer hat was über mich gesagt?«
»Ich weiß es nicht, ich kann mich nicht mehr so recht erinnern. Ich habe es eigentlich auch gar nicht so richtig verstanden«, wich Emma aus. Eleonora wusste, dass sie nicht die Wahrheit sprach, denn sie konnte ihr nicht in die Augen schauen. Aber um nichts in der Welt hätte sie nur noch einen Satz mehr aus ihr herausbekommen. Babette war für sie eine absolute Autorität. Sie hatte ihr soeben Stillschweigen geboten, mit einem ganz unauffälligen, aber unmissverständlichen Kopfschütteln.
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum man sich wegen mir streiten kann«, erklärte Eleonora.
Babette und Emma zuckten mit den Schultern und schwiegen. Alle drei wussten, dass dies nicht der Wahrheit entsprach, denn alle drei wussten, dass Gräfin Elisabeth nach so vielen Jahren Eleonoras Anwesenheit nach wie vor ein Dorn im Auge war.
Gerade heute wurde es Eleonora besonders bewusst. Nur solange Gräfin Dorothea schützend ihre Hand über sie hielt, konnte sie sich ihres Bleibens im Prewitzschen Haushalt sicher sein. Aber diese Hand war mittlerweile schwach geworden. Sie wurde immer schwächer.
Sie erhob sich von der Küchenbank, auf der sie immer noch saß. Erst jetzt bemerkte sie die Kompresse, die sie die ganze Zeit in ihren Händen geknetet hatte. Ein feuchtwarmes Bündel war daraus geworden. Sie legte es auf den Tisch.
»Ich glaube, ich gehe jetzt auf mein Zimmer«, sagte sie.
»Lass dich mal anschauen«, befahl Babette resolut und unterzog sie einer kritischen Musterung. »Schon viel besser«, stellte sie befriedigt fest. »Beim Abendessen wird dir nichts mehr anzusehen sein.«
Eleonora nickte schweigend und begab sich zur Küchentür.
»Kein Wort zur Gräfin, was ihren Enkel anbelangt«, schärfte Babette ihr nochmals ein. »Na ja, sie wird erst einmal damit zu tun haben, dass ihr Sohn und ihre Schwiegertochter so unerwartet abgereist sind.«
»Sehr bedauern wird sie es wohl kaum«, sagte Emma kichernd.
Damit sollte sie recht behalten.
15
W as die plötzliche Abreise des Ehepaars anbelangte, hatte Jean bei der Mitteilung aber noch zu einer Notlüge greifen müssen. So behauptete er, dass Gräfin Elisabeth ihren Gatten bis zu seinem Regiment nach Küstrin begleiten wollte und anschließend weiterreiste, um ihre Schwester auf deren Gut in Schlesien zu besuchen. Geschickt verstand er es dann, das Gespräch auf den bevorstehenden Besuch der beiden Komtessen zu lenken. Nach einer kleinen Bekundung des Erstaunens ob des ungewohnten Verhaltens ihres Sohnes und ihrer Schwiegertochter konzentrierte sich Gräfin Dorotheas ganze Aufmerksamkeit auf die Planung der nächsten Wochen.
»Ich werde einen Hausball geben, und du wirst endlich einmal wieder in der Öffentlichkeit singen«, verkündete sie. »Ob du es in der Kürze der Zeit mit Schilling zu einer kleinen Inszenierung bringen könntest?«
»Was für eine Inszenierung?«, fragte Eleonora überrascht.
»Na, ein kleines Kammerspiel mit musikalischer Untermalung und ein paar hübschen Arien?«, erwiderte Gräfin Dorothea und legte schelmisch den Kopf auf die Seite.
Zwei Wochen später trafen die Komtessen mit großer Entourage ein, die eine Karawane aus dem Norden, die andere aus dem Süden.
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