Flamme von Jamaika
Edward. Man musste keinen siebten Sinn besitzen, um zu ahnen, dass an der Geschichte etwas faul war. Aber angesichts Edwards düsterer Miene verzichtete der Ire darauf, Trevors Ausführungen zu hinterfragen, so bescheuert sie auch sein mochten.
«Ihr habt Glück», antwortete er beinahe gleichgültig. «Heute Mittag hatte ich Gäste aus Stony Hill, die von einer Frau berichteten, die am frühen Morgen völlig aufgelöst auf der Drydenfarm aufgetaucht sein soll und von einer Entführung gesprochen hat. Seltsamerweise wollte sie weder mit ihrem Namen noch mit Informationen über den Hergang der Entführung herausrücken. Das Einzige, was sie sagte, war, dass sie seitdem ihre Freundin vermisse und auf eigene Faust nach ihr suchen wolle. Brad Dryden hat sie erst mal festgehalten, weil sie ansonsten ohne Begleitung in die Berge geritten wäre. Sie befand sich in einem völlig aufgelösten Zustand. Soweit ich weiß, wollte er die Garnison in Spanish Town informieren, weil er nicht wusste, ob er es mit einer Verrückten zu tun hatte.»
Edward warf Trevor einen bedeutungsschwangeren Blick zu und schaute dann auf die Standuhr am anderen Ende des Schankraums.
«Los, Männer», befahl er seinen enttäuscht dreinschauenden Begleitern. «Es ist bereits früher Nachmittag. Lasst uns aufbrechen.»
«Hey?», rief McMurphy. «Und was ist mit den Drinks?»
«Ein andermal», rief ihm Edward beim Hinausgehen zu.
Draußen angekommen, schwang er sich auf seinen Hengst.
«Denken Sie, Sir, dass es sich um Ihre Frau oder deren Anstandsdame handelt?», fragte Trevor, als Edward die Truppe unvermittelt in Abmarsch versetzte und auf die Straße nach Norden lenkte.
«Ganz gleich, Trevor, wen wir da vorfinden, es hört sich nicht gut an. Wir müssen mit den Drydens sprechen, bevor der Gouverneur es tut.»
Als Lena aus dem Wasser stieg, lag das Leinentuch schon in Griffnähe für sie bereit. Sie trocknete sich gründlich ab und wickelte sich anschließend darin ein. Wie Loreley auf ihrem Felsen setzte sie sich auf einen großen Stein und kämmte sich in der heißen Sonne das Haar aus.
Sie spürte, wie Jess sie aus gebührendem Abstand beobachtete. Beim Anblick ihres fleckigen Unterrocks überkam sie das Bedürfnis, wenigstens ihre Unterwäsche zu waschen. Wenn sie Mieder und Rock anschließend in die Sonne legte, konnte es höchstens ein bis zwei Stunden dauern, bis sie trocken waren. Falls es nicht regnete, denn über den gegenüberliegenden Berggipfeln braute sich ein Unwetter zusammen, wie sie unschwer an den schwarzen Wolken erkennen konnte.
Sie fragte Jess erst gar nicht um Erlaubnis, sondern stieg samt Handtuch in ihr Reitkleid, wobei sie auf Mieder und Unterrock verzichtete. Nachdem sie das Kleid bis zum Ausschnitt zugeknöpft hatte, entledigte sie sich dezent des darunter befindlichen Handtuchs. Danach krempelte sie sich die Ärmel hoch, hockte sich ans Ufer des Teiches und begann, mit Hilfe der Seife die Flecken aus ihrem hellen Unterrock herauszuschrubben. Nicht, dass sie viel Erfahrung darin gehabt hätte, aber sie hatte den Wäscherinnen an der Elbe oft genug zugesehen und wusste deshalb, wie man so etwas machte. Plötzlich fiel ein großer Schatten über ihre Schulter.
«Ist es zu fassen?», fragte eine leicht ironische Stimme. «Die Herrin von Redfield Hall weiß tatsächlich, wie man Unterröcke wäscht!»
Lena schaute verärgert auf.
«Warum denn nicht? Soweit ich es beurteilen kann, verbirgt sich keine besondere Kunst dahinter. Wenn du willst, kannst du es gerne auch mal probieren.»
«Nein danke», sagte er grinsend. «Das ist Frauenarbeit. Obwohl … wenn ich dein Sklave wäre, könntest du es mir einfach befehlen, und ich müsste es tun. Ist das nicht ein erhabenes Gefühl? Menschen zu Arbeiten zu zwingen, für die man sich selbst zu fein ist?»
Lena blieb der Mund offen stehen, und gleichzeitig schoss ihr die Röte ins Gesicht.
«Natürlich nicht», entgegnete sie und stemmte die Hände in die Taille. «Aber mit den Sklaven ist es ja auch etwas völlig anderes.»
«Wirklich?» Er hielt inne und lächelte neckisch. «Und könntest du mir erklären, warum dies etwas ‹völlig anderes› sein sollte?»
«Weil …»
Lena ahnte, dass sie sich auf gefährliches Terrain begab, wenn sie anfing, ausgerechnet mit einem solch gebildeten Mulatten über Sklaverei zu debattieren. Er war zu gewitzt, als dass sie gegen ihn hätte gewinnen können. Sie versuchte es trotzdem.
«Weil die Sklaven sich sonst langweilen
Weitere Kostenlose Bücher