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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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würden», behauptete sie kühn. «Was sollten sie denn den ganzen Tag tun, wenn die Herrschaft alle ihre Arbeit übernähme?»
    Die Mimik ihres Gegenübers erstarrte und wechselte dann in einen Ausdruck amüsierten Erstaunens. Schließlich brach er in schallendes Gelächter aus und präsentierte ihr damit ein weiteres Mal seine makellosen Zahnreihen. Er hielt sich den Bauch, während ihm vor Lachen die Tränen in die Augen geschossen waren.
    «Das ist nicht dein Ernst, Mylady», stieß er ungläubig hervor, nachdem er wieder zu Atem gekommen war.
    «Warum nicht?», erwiderte sie pikiert. «Sogar mein Vater hat die Meinung vertreten, dass die Neger froh sein können, wenn sie von unserer Kultur profitieren. Und du selbst bist das beste Beispiel dafür. Könntest du Homer zitieren, wenn du in Afrika auf Bäumen aufgewachsen wärst?»
    «Auf Bäumen?» Jess kratzte sich am Kopf, als ob er nachdenken müsste. «Wobei du zu vergessen scheinst», erwiderte er mit Genugtuung in der Stimme, «dass ein Teil der europäischen Bevölkerung selbst noch auf Bäumen herumgeklettert ist, als Homer seine Stücke schrieb.»
    Lena hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst, weil er sie mit seiner Überheblichkeit bis aufs Blut provozierte. Wie schaffte es dieser Kerl nur, sie immer wieder sprachlos zu machen? Sie fühlte sich beschämt und vorgeführt.
    Angesichts der Lage wagte sie es nicht, die Hand gegen ihn zu erheben. Ein solches Benehmen würde er gewiss nicht dulden, und in null Komma nichts wäre sie diejenige, die den Hintern versohlt bekäme. Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, richtete er sich unvermittelt zu voller Größe auf, was seine Gestalt noch respekteinflößender machte. Dabei zog er einen Mundwinkel zu einem abschätzigen Lächeln hoch.
    «Gebildet, wie du bist, solltest du wissen, dass Afrika bereits über riesige Königreiche verfügte, als deine Vorfahren noch reichlich orientierungslos in Fellen umherliefen.»
    Nun war es an ihr, spöttisch an ihm hinaufzublicken.
    «So wie es aussieht, haben ein paar meiner Vorfahren allerdings auch bei dir ihre Spuren hinterlassen. Ansonsten wärst du wohl kaum so hellhäutig und dazu so ungehobelt wie ein englischer Hafenarbeiter.»
    «Ja, leider», knurrte er. «Es gibt Zeiten, da schäme ich mich für meine weißen Vorfahren.»
    Lena ersparte sich einen Kommentar, der ihn nur zu weiteren Unverschämtheiten eingeladen hätte. Stattdessen ging sie wortlos dazu über, ihren Unterrock im Wasser auszuspülen. Das Gleiche tat sie mit ihrem Mieder. Vor lauter Ärger machte sie sich recht kraftvoll an die Sache, bis sie schließlich aufstand und ihre pitschnassen Unterkleider im Stehen auswrang.
    Nachdem Jess eine Weile untätig zugeschaut hatte, nahm er ihr die immer noch feuchten Stücke unaufgefordert ab. Mühelos pressten seine Finger auch den letzten Tropfen Wasser aus Unterkleid und Mieder. Danach gab er ihr beides mit einem angedeuteten Lächeln zurück.
    «Und warum muss man sich schämen, wenn man weiße Vorfahren hat?», fragte sie schließlich, nachdem sie den Rock ausgeschüttelt und neben dem Mieder über ein paar niedrigen Büschen zum Trocknen ausgelegt hatte.
    Erschöpft ließ sie sich im Schatten des Strauches nieder und schaute herausfordernd zu ihrem hünenhaften Wächter. «Edward erzählte mir», fügte sie in belehrendem Tonfall hinzu, «seine Sklavinnen wären ganz versessen darauf, dass ihnen weiße Männer ein möglichst hellhäutiges Kind zeugen. Angeblich, weil hellhäutige Sklaven besser behandelt werden und bessere Posten auf den Plantagen ergattern.»
    «So?», erwiderte Jess und hockte sich in ihrer unmittelbaren Nähe auf die staubige Erde. «Sagte er das?»
    Wie aus dem Nichts zauberte er hinter seinem Rücken einen Ast mit runden, grünlichen Früchten hervor. Er pflückte eine der Kugeln ab, die so groß war wie ein Hühnerei, und begann sie per Hand zu schälen. Unter der Schale verbarg sich orangefarbenes Fruchtfleisch, das er ihr mit spitzen Fingern anbot.
    «Was ist das?», fragte sie misstrauisch. Vielleicht wollte er sie aus lauter Groll vergiften.
    «Guinep-Früchte», erklärte er mit einem aufmunternden Nicken. «Sie wachsen hier oben wild. Mich wundert, dass du sie nicht kennst. Nur zu», sagte er, als sie zögerte. «Sie sind äußerst erfrischend.»
    Lena zögerte einen Moment, nicht, weil sie die Frucht bisher noch nicht probiert hatte, sondern weil die Geste sie an die Geschichte Evas erinnerte, die im Paradies mit einem

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