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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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einer Plantage. Meine Mutter arbeitete wieder in der ersten Kolonne auf den Zuckerrohrfeldern, nachdem sie bei ihrem Master als Bettgefährtin in Ungnade gefallen war.»
    Er stockte einen Moment und versuchte zu erkennen, ob sie verstand, was er meinte.
    «Du weißt doch, was es bedeutet, in der ersten Kolonne auf einer Zuckerplantage zu arbeiten, oder?»
    «Ja – ungefähr …», musste Lena eingestehen.
    Edward hatte ihr einiges zum Zuckeranbau erklärt, aber die Sache mit den Kolonnen hatte er nur am Rande erwähnt.
    «Die erste Kolonne ist die härteste Einheit. Die meisten Arbeiter sterben bereits in jungen Jahren. Die zweite Kolonne erledigt die weniger schweren Arbeiten, meist sind es Kranke und Schwangere, die ihr angehören. Und die dritte Kolonne besteht aus Kindern jenseits des sechsten Lebensjahres.»
    «Ich glaube, ich erinnere mich …», gestand Lena kleinlaut.
    Ja, sie hatte Kinder bei Edwards Führung gesehen, aber nicht gewusst, dass diese schon so jung für die harte Feldarbeit eingeteilt wurden. Jess überging ihren nachdenklichen Einwurf und fuhr unbeirrt fort.
    «Das Einzige, was meiner Mutter aus der … ich nenne es mal Verbindung zu ihrem Master … geblieben ist, war ich. Sie gebar mich in einer armseligen Hütte und liebte mich so abgöttisch, dass es weh tat. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als ich sie das letzte Mal gesehen habe.»
    Er schwieg für einen Moment, als ob er sich sammeln müsste. Lena ahnte, dass es ihm schwerfiel, über seine Vergangenheit zu sprechen.
    «Ich hatte Fieber und musste deshalb nicht mit auf die Felder. Warmer, schwerer Regen prasselte auf unser Dach aus getrockneten Palmblättern. Der eindringliche Rhythmus klang wie das Trommeln der alten Zauberin, die meine Mutter zur Behandlung meines Fiebers zurate gezogen hatte.
    Trotz der Hitze lag ich frierend auf einer verschlissenen Matratze und lauschte dem stetigen Klopfen, das von den dicken Tropfen herrührte, die durch eine undichte Stelle des Daches auf den nassen Lehmboden platschten. Ich langweilte mich, weil niemand da war, mit dem ich reden konnte.
    Vielleicht lag es am Regen oder dem Wind, der mit einem schaurigen Pfeifen die dünnen Wände umtoste, dass ich nicht bemerkte, wie drei Männer in unsere Hütte traten. Ich hatte ungeduldig auf die Rückkehr meiner Mutter und der übrigen Bewohner unserer Behausung gewartet, als sie in die Hütte eindrangen.
    ‹Das ist er›, sagte plötzlich eine dunkle Stimme.
    Ich erschrak und blickte in das Gesicht unseres weißen Aufsehers. Er hatte rotes Haar, und seine Haut war von der Sonne so sehr verbrannt, dass die darin befindlichen Sommersprossen sich zu großen, braunen Kuhflecken verdichtet hatten.
    Neben ihm stand unser Master, ein vornehmer, älterer Weißer. Wir sahen ihn nicht oft, und ich war froh darüber, weil ich gespürt hatte, dass meine Mutter ihn nicht leiden konnte. Bei ihnen war ein Fremder, den ich noch nie im Leben zu Gesicht bekommen hatte. Seine Haut war olivenfarben und sein Haar fast so braun wie meins. Er hatte es im Nacken mit einem Lederbändchen zusammengebunden. Die Frisur passte so gar nicht zu seiner korrekten Kleidung, die ihn als einen Mann von Welt auswies – das erkannte sogar ich als kleiner Bengel.
    Von meiner Mutter hatte ich gelernt, dass man solchen Männern immer den nötigen Respekt entgegenbringen musste, indem man sich tief verbeugte und wartete, bis sie einen ansprachen oder vorbeigingen.
    Bevor ich jedoch pflichtschuldig aus dem Bett springen konnte, hatte unser Aufseher mich auch schon bei meinen dünnen Armen gepackt und in die Lüfte gehoben. Anschließend ließ er mich unsanft zu Boden plumpsen.
    Ich landete schmerzhaft auf meinem Hosenboden und spürte, wie der feuchte Lehm den dünnen Stoff meiner Hose durchnässte. Darüber trug ich eine zerfetzte Leinentunika, die meinen kindlichen Körper nur unzureichend bedeckte. Der Aufseher riss mir diesen kärglichen Rest an Schutz mit einer einzigen Bewegung über den Kopf. Nun stand ich halbnackt und würdelos da. Als er mir auch noch die Hose herunterzog, fürchtete ich schon, dass man mich – warum auch immer – züchtigen würde. Doch nichts dergleichen geschah.
    ‹Seht ihn euch nur an›, verkündete mein Master nicht ohne Stolz in der Stimme. ‹Bis auf den kleinen Fieberanfall ist er gesund und kräftig und durchaus bereits sein Geld wert. Lassen Sie ihn noch ein paar Jahre auf die Weide gehen, Montalban, und er wird Ihnen ein munterer, kleiner

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