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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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mild, und nur ein leichter Wind strich durch ihr Haar. Hier und da knackte ein morscher Ast, und das ‹Schuhu› einer Eule oder das plötzliche Geschrei eines Papageis begleitete ihre ansonsten lautlosen Schritte.
    «Du kannst die Augenbinde jetzt abnehmen», flüsterte er nach einer Weile. «Ab hier müssen wir nicht mehr mit Lagerwachen rechnen, und dort, wo ich dich hinführe, werden wir garantiert ungestört sein.»
    Garantiert ungestört?! Damit keiner mitbekommt, wenn ich schreie, dachte sie verzweifelt. Der aufgehende Mond hatte Bäume und Sträucher in silbernes Licht getaucht, und diese warfen bizarre Schatten in die Umgebung. Obwohl Jess sie vertrauensvoll anlächelte, flößte die Umgebung ihr Furcht ein. Stumm wanderten sie einen Berghang hinunter, wobei er ihr immer noch nicht sagte, wohin die Reise ging. Mit einem solchen Kerl wäre sie notfalls bis ans Ende der Welt gegangen. Doch was führte er wirklich im Schilde? Abrupt blieb sie stehen.
    «Was ist?», fragte er und drehte sich irritiert nach ihr um.
    «Sag mir die Wahrheit», forderte sie mit bebender Stimme. «Hast du den Auftrag, mich umzubringen?»
    «Was?» Jess schien nicht zu begreifen, was sie ihn gerade gefragt hatte.
    «Willst du mich töten?»
    «Bist du von Sinnen?» Seine Stimme klang kalt.
    «Nein, aber ich bin kurz davor, es zu werden.»
    Sie konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten und begann hemmungslos zu weinen.
    Jess reagierte sofort. Augenblicklich nahm er sie in seine starken Arme und drückte sie sacht.
    «Um Himmels willen, Lena, wie kannst du nur auf eine solch törichte Idee kommen?»
    Er schien ehrlich entsetzt zu sein. Sein Griff wurde fester, während sie nicht aufhören konnte zu weinen.
    «Was weiß ich», schluchzte sie. «Du verhältst dich so merkwürdig und gehst mitten in der Nacht und ohne eine nachvollziehbare Erklärung mit mir in diesen unheimlichen Wald. Nicht, dass ich Angst mit dir hätte, aber …» Sie stockte, um zu schlucken und nach Luft zu ringen, bevor sie fortfahren konnte.
    «Du hast Angst vor mir», vollendete er den Satz, und eine gewisse Bitterkeit lag in seiner Stimme.
    «Was weiß denn ich», brach es aus ihr heraus, «was in deinem Lager vor sich geht. Woher soll ich wissen, ob Edward oder der Gouverneur auf die Bedingungen deines Anführers eingegangen sind und wenn nicht, was weiter mit mir zu geschehen hat?»
    Sanft küsste er sie auf den Scheitel, dann schob er sie ein Stück von sich weg und sah auf sie herab. Seine Augen funkelten im Mondlicht.
    «Was bin ich nur für ein Narr», schalt er sich selbst. «Ich hab mich von deiner forschen Art täuschen lassen. Ich kann gut verstehen, dass du dich fürchtest, nach allem, was dir hier oben widerfahren ist. Aber ich stehe zu meinem Wort, dass du keine Angst vor mir zu haben brauchst. Ich werde nicht zulassen, dass dir Leid zugefügt wird. Schon gar nicht durch mich, ich könnte dir niemals etwas Böses antun.»
    «Gut», hauchte sie und lehnte ihre Stirn erschöpft an seine Brust.
    Er streichelte ihr sanft über Kopf und Rücken und spielte mit ihrem hüftlangen Haar, das sie seit der Entführung offen trug.
    «Komm», sagte er und fasste sie bei der Hand. «Wir sind gleich da, es ist nicht mehr weit. Ich bin sicher, es wird dir gefallen.»
    Trotz seiner Ankündigung waren sie noch mindestens eine Viertelstunde unterwegs, in der sie kaum ein Wort sprachen. Zwischen ihren ineinander verschlungenen Händen baute sich währenddessen eine seltsame Anziehung auf, die nach mehr Nähe verlangte. Am liebsten wäre sie stehen geblieben, um sich noch einmal von ihm umarmen zu lassen.
    Plötzlich war ein leises Rauschen zu vernehmen. Neugierig folgte sie Jess wie ein Kind an der Hand seines Vaters. Bergab ging es über einen unebenen, von wilden Bananenstauden gesäumten Weg hin zu einem steinigen, von hohen Felsen eingerahmten Plateau. In dessen Mitte war ein kleiner Teich eingelassen, auf dessen Oberfläche sich das helle Mondlicht spiegelte. Seiner Form nach war er ähnlich dem, in dem sie kürzlich ein Bad genommen hatte. Nur dass dieser um einiges kleiner war und viel weiter vom Lager entfernt lag.
    Von den Felsen sprudelten mehrere Katarakte durch steinerne Rinnen herab, die wie geschliffene Diamanten glitzerten und das Becken über einen mindestens zehn Meter hohen Wasserfall mit Frischwasser versorgten. Dahinter verbarg sich offenbar ein kleiner Höhleneingang, der halb im Schatten lag und in dem – so hoffte sie – niemand hauste,

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