Flamme von Jamaika
Sklaven leidvoll hatten erfahren müssen, die nur knapp mit dem Leben davongekommen waren. Bei Bolton würde kraft seines Amtes Derartiges nicht möglich sein, was ihn nur noch wütender machte.
«Mein Vater hat die Lage hinreichend erläutert. Wegen unseres hervorragenden Rufs, was die Lebensdauer unserer Ehefrauen betrifft», bemerkte er in einem sarkastischen Ton, «haben wir kaum noch etwas zu verlieren. Allerdings reise ich nicht extra nach London, um mir für einen Haufen Geld eine Gemahlin zu kaufen … äh … zu suchen, damit sie mir kurze Zeit später von ein paar dahergelaufenen Rebellen entführt wird. Welche zu allem Übel anscheinend um einiges durchtriebener sind als die hiesige Armee!»
Edward stemmte die Hände in die Hüften und visierte Bolton aus schmalen Lidern an, als ob er ihn fressen wollte.
«Also – richten Sie Ihrem Gouverneur aus, wenn er in den nächsten zwei Tagen nicht zu einer angemessenen Lösung findet, nehme ich die Sache selbst in die Hand!»
«Der Austausch findet in drei Tagen statt», berichtete Cato am darauffolgenden Tag mit triumphierender Stimme, nachdem er Jess hatte zu sich rufen lassen.
Seine schwarzen Augen leuchteten wie glühende Kohlenstücke aus seinem verschlagenen, bärtigen Gesicht. Mit hocherhobenem Haupt, den hageren Körper gestrafft, stolzierte er in einem braunen Anzug und einem vergilbten, ehemals weißen Hemd vor Jess hin und her. Er spielte sich auf, als ob er bereits der künftige Präsident dieses Landes wäre. Jess hatte er als Anführer seiner Krieger und Bewacher der Geisel als Ersten in seine Hütte rufen lassen, damit er diese überraschende Nachricht unverzüglich erfuhr. Jess schüttelte innerlich den Kopf über Catos Darstellungseifer. Seine großen Vorbilder waren eindeutig die Freiheitskämpfer der südamerikanischen Länder, die sich bereits mit Erfolg gegen die Kolonialisten erhoben hatten.
«Das war nur der Startschuss», erklärte Cato mit sichtlich überbordendem Selbstbewusstsein und dem Blick eines Wahnsinnigen, der keine Ahnung hatte, wo die eigenen Grenzen lagen.
Jess hingegen war froh, dass seine Rechnung allem Anschein nach aufgegangen war, und zwar in doppelter Hinsicht. Einmal wegen der drei Jungs, deren Freilassung nun in greifbare Nähe gerückt war, und dann wegen Lena, deren Leben verwirkt gewesen wäre, wenn Cato seinen Willen nicht erfüllt bekommen hätte.
«Soll das heißen, ich kann unsere Geisel auf den Austausch vorbereiten?», fragte Jess, um sicherzugehen, dass er sich nicht verhört hatte.
Ein diffuses Gefühl von Erleichterung und Furcht durchfuhr ihn, als das Rebellenoberhaupt mit stolzgeschwellter Brust nickte.
Aber eins interessierte Jess noch, auch um selbst einschätzen zu können, wie zuverlässig die Meldung war. «Wie hast du davon erfahren?»
Auf Catos Wink hin hielt Aleeke ihm ein abgegriffenes Stück Zeitungspapier unter die Nase, das in einem verschlüsselten Artikel bestätigte, dass die Freilassung der drei zum Tode verurteilten Sklaven unmittelbar bevorstand.
«Ich bin sicher, die Sache mit dem Colonel und den vermissten Soldaten hat diesen weißen Idioten gezeigt, dass sie keine Chance gegen uns haben», triumphierte Cato erneut.
Jess war sich nicht im Klaren darüber, ob er genauso euphorisch sein sollte wie sein Befehlshaber. Er dachte in erster Linie an Lena und dass nun die Stunde der Wahrheit gekommen war. Die Blakes würden sie nach ihrer Rückkehr bewachen wie Bluthunde. Es würde nicht einfach werden, ihr zu einer erneuten Flucht zu verhelfen. Dabei war klar, dass er die Sache selbst in die Hand nehmen musste, schon allein, um sicherzugehen, dass sie tatsächlich das Land verließ. Er ahnte bereits, wie schwierig es werden würde, Lena davon zu überzeugen. «Ich werde dich von deinen Aufgaben, was die Geisel betrifft, bis zu ihrer Freilassung entbinden», hörte er Cato wie durch einen Nebel fabulieren. «Ab sofort übernimmst du wieder das Kommando über die Krieger und sorgst dafür, dass die drei Freigelassenen sicher und ohne Verfolger das Lager erreichen. Du kannst deiner Mutter sagen, dass sie sich solange um die Frau kümmern soll.»
«Wann soll es losgehen?», fragte Jess wie betäubt.
«Morgen Nacht, wenn die Sichel des Mondes hoch am Himmel steht. Der Übergabeort ist passenderweise die Gabelung des Hope River. Erst nachdem die Männer sicher hier eingetroffen sind, wirst du die Geisel in die Nähe der Kapelle des heiligen Franziskus unweit von Stony Hill bringen.
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