Flamme von Jamaika
Ich will, dass du das ganz alleine erledigst», bestimmte er und verzog keine Miene. «Ich traue dem Frieden nicht. Sollte der Gouverneur seine Soldaten in Stellung bringen, um dich nach ihrer Freilassung zu verfolgen, bist du der Einzige, dem ich es zutraue zu entkommen, ohne Spuren zu hinterlassen. Und falls sie dich trotzdem schnappen, bin ich mir sicher, dass du schon allein um deiner Mutter willen nicht reden wirst, ganz gleich wie schwer man dich foltert.»
Jess nickte benommen.
«Ich werde meine Männer entsprechend instruieren», ratterte er monoton. «Sie müssen einen Fluchtweg vorbereiten, auf dem die drei Freigelassenen möglichst rasch in Sicherheit gebracht werden können. Das gesamte Gelände muss überwacht werden. Die Flucht muss lautlos und ohne Spuren vonstattengehen, damit die Backras uns nicht aufspüren können.»
«Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann», erklärte Cato und klopfte ihm feierlich auf die Schulter. «Schließlich haben wir dir einen Großteil dieses Erfolges zu verdanken.»
Lena schaute überrascht auf, als Jess plötzlich vor ihrer Zellentüre auftauchte. Er trug ein zerschlissenes, helles Baumwollhemd zu seiner alten Armeehose, die Lena schon kannte. Seine mächtigen Schultern und die muskulösen Oberarme drohten den fadenscheinigen Stoff zu sprengen. Die Stiefel verliehen ihm den Schritt eines Soldaten. Seit er ihr, aus reiner Vernunft, wie er sagte, hartnäckig jegliche Intimitäten verweigerte, kam er ihr noch begehrenswerter vor. Aber er hatte ihr eindeutig zu verstehen gegeben, dass ihre Nähe ein Fehler gewesen war, den er inzwischen bereute. Trotzdem hatte er die Nacht bei ihr verbracht, aber eher um sie vor Ferkelratten und Schwarzkrabben zu schützen denn aus Liebe. Enttäuscht hatte Lena so getan, als würde sie schlafen, selbst als er ihr das Frühstück hingestellt hatte.
Danach war er zu seinem Obersten abberufen worden.
«Wie geht es dir?», fragte er verlegen, während er den Schlüssel in das rostige Schloss steckte.
«Gut wäre gelogen», gab ihm Lena mit einem spöttischen Lächeln zu verstehen.
Erst jetzt erkannte sie, dass seine bernsteinfarbenen Augen verdächtig feucht schimmerten. Nachdem er das Gitter mit einem rostigen Quietschen geöffnet hatte, traf sie sein undurchsichtiger Blick.
«Es ist so weit, Prinzessin», erklärte er, ohne ihr in die Augen zu schauen.
Dann setzte er sich neben sie und seufzte wie ein alter Mann, dem das Leben die Luft zum Atmen genommen hatte. Er kniff die Lippen zusammen und nahm ihre Hand. Still saß er da und schaute ihr stumm in die Augen, als ob er sich ihre Gesichtszüge einprägen wollte.
«Jess?»
«Ja?», flüsterte er.
«Du machst mir Angst.»
«Du mir auch, Prinzessin.»
Er schaute auf, und seine Lippen waren den ihren so nah, dass er sie leicht hätte küssen können, doch nichts dergleichen geschah.
«Der Gouverneur hat deinem Austausch zugestimmt», erklärte er tonlos. «Schon übermorgen werde ich dich hinunter ins Tal bringen.» Eigentlich eine frohe Botschaft! Doch an seinen Augen konnte sie sehen, dass er mindestens so bedrückt war wie sie selbst.
«Das bedeutet, die Gefangenen werden freigelassen, und ich gehe zu Edward zurück?», fragte sie beinahe ungläubig, obwohl es genau das war, was Jess mit ihrer Entführung hatte erreichen wollen.
«Es bedeutet in jedem Fall, dass er dich offenbar zurückhaben will.» Jess schnaubte verdrossen.
«Sag nur, du hast was dagegen», fragte sie provokativ. «War es nicht genau das, was du wolltest?»
Sie war nicht mehr sicher, ob Jess tatsächlich aus reinem Verantwortungsgefühl zu ihr auf Abstand gegangen war oder weil er nun seine Ziele erreicht hatte und in Wahrheit nie etwas für sie empfunden hatte.
«Oh mein Gott», entfuhr es ihr, und um ihre wahren Gefühle zu verbergen, schlug sie die Hände vors Gesicht. «Bleibt mir zu hoffen, dass Edward nicht ahnt, dass ich ihn in Wahrheit verlassen wollte.»
«Was ist mit deiner Begleiterin?», fragte Jess besorgt. «Glaubst du, sie hat ihm die Wahrheit gesagt, falls sie nach Redfield Hall zurückgekehrt ist?»
Lena schüttelte den Kopf.
«Maggie würde mich niemals verraten. Aber um zu erfahren, wie Edward wirklich über die Sache denkt», sinnierte sie laut, «bleibt mir ohnehin nichts anderes übrig, als zurück in die Höhle des Löwen zu gehen und es selbst herauszufinden.»
Einen Augenblick lang sah sie ihn schweigend an. Die ganze Zeit über hatte sie darüber nachgedacht, was
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