Flamme von Jamaika
würde, wenn die geplanten Sklavenaufstände zum Erfolg führten.
In den darauffolgenden Tagen war er stur seinem Plan gefolgt. Er war bei den geheimen Versammlungen der Baptisten als Gastprediger aufgetreten und hatte die schwarzen Mitbrüder und -schwestern davon zu überzeugen versucht, dass die Sklaverei in London längst abgeschafft worden sei. Immer wieder beschrieb er, wie der Gouverneur und das hiesige Parlament die Papiere der einheimischen Bevölkerung vorenthalten hätten, weil sie die Beschlüsse aus London nicht umsetzen wollten. Einer solchen Ungerechtigkeit könne man am besten mit einer stoischen Arbeitsverweigerung in den anstehenden Erntekampagnen entgegentreten.
Doch all diese Predigten waren nur Tarnung gewesen für das, was in Wirklichkeit folgen sollte. Im Auftrag von Cato hatte Jess mehrere Mittelsmänner aufgesucht und ihnen Instruktionen gegeben, was sie als Nächstes gegen die weißen Pflanzer zu unternehmen hatten. Daraufhin waren etliche Scheunen und Fabrikhallen im Parish St. Mary und St. Ann in Brand gesetzt worden, was deren Verwalter in ernsthafte organisatorische Schwierigkeiten stürzte. Für die bevorstehenden Ernten fehlten nun nicht nur die Lagerhallen, sondern auch die Weiterverarbeitung war gefährdet, weil Maschinen zerstört worden waren. Menschen waren nicht zu Schaden gekommen, so weit hatte man noch nicht gehen wollen. Aber auch das würde eines Tages unvermeidbar sein in diesem erbitterten Kampf um die Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen.
Isaak stand nichtsahnend draußen im Hof seiner kleinen Farm, als Jess nach etlichen Tagen der Abwesenheit zu ihm zurückkehrte. Der junge Baptistenpriester trug einen breitkrempigen Strohhut und fütterte in seinem abgetragenen, schwarzen Anzug die Hühner. Von weitem hätte man die hagere blonde Gestalt durchaus mit einer beweglichen Vogelscheuche verwechseln können. Als Jess ihn vom Sattel aus lautstark begrüßte, fuhr er heftig zusammen und sah ihn erschrocken an.
«Moses?», bemerkte er schließlich erleichtert.
Dann stellte er den Eimer mit dem Hühnerfutter beiseite, ging auf seinen unerwarteten Besucher zu und schüttelte ihm lächelnd die Hand.
«Ich wollte dir dein Pferd zurückbringen», erklärte Jess und sprang aus dem Sattel, ohne näher auf das einzugehen, was er inzwischen erledigt hatte.
Er klopfte das Fell der braunen Stute, die ihn in den vergangenen Tagen zuverlässig von Plantage zu Plantage getragen hatte, und übergab Isaak die Zügel.
«Ich hab dir eine Flasche Rum mitgebracht, weil ich mich für dein Vertrauen und deine Großzügigkeit bedanken wollte. Ich weiß, dass du nicht zu den stärksten Trinkern gehörst, aber zum Tauschen eignet sie sich allemal.»
«Gott segne dich», erwiderte Isaak und nahm mit einem dankbaren Nicken die Flasche entgegen. «Ich bringe Molly nur rasch in den Stall. Dann lass uns reingehen. Du hast sicher Hunger. Ich hab einen Fischeintopf auf dem Herd. Hast du schon gehört, dass es in den letzten Tagen zahlreiche Brände in den Gemeinden hier gab?»
Wenn du wüsstest, dachte Jess, wer wirklich hinter diesen Unruhen steckt, wärst du vorsichtiger damit, wem genau du deine Gastfreundschaft offerierst.
«Ein kühler Schluck Wasser würde mir vollkommen reichen», rief er ihm hinterher.
«Den bekommst du selbstverständlich dazu», rief Isaak zurück. «Geh schon mal hinein, auf dem Küchentisch steht außerdem eine Kanne mit frischer Buttermilch. Einen Becher findest du auf dem Wandregal.»
Die träge Nachmittagssonne schickte ihre letzten Strahlen in das schummrige Zimmer, als Jess die bescheiden eingerichtete Wohnküche des jungen Pastors betrat. Staubflocken tanzten in der Luft, und das schmutzige Geschirr, das im Waschbecken stand, zeugte davon, dass eine Frau im Haushalt fehlte. Isaak hätte sich leicht eine Sklavin halten können, doch das lehnte er wie alle Baptisten strikt ab. Und für ein Dienstmädchen, das nach Bezahlung verlangte, konnte er kein Geld erübrigen. Sein Gehalt gab er lieber für Flugblätter aus, die Stimmung gegen die Sklaverei machen sollten, wie er Jess beim letzten Treffen erklärt hatte.
Jess lenkte seinen Blick zum wurmstichigen Küchentisch und entdeckte den Krug, von dem Isaak gesprochen hatte. Auf der Anrichte lag ein Klumpen Butter auf einem weißen Teller. Die Milch dazu stammte vermutlich von der einzigen Kuh im Stall, die, wie Jess wusste, vor ein paar Wochen gekalbt hatte. Sie war ein wertvoller Schatz, trotz aller
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